Von Adam und seiner Partnerin bleibt nur die Erinnerung in Gips. Die Schweinerasse gibt es nicht mehr.
Ursprünglich war die Tierstatuettensammlung der Tierärztlichen Fakultät für die wissenschaftliche Ausbildung gedacht. Heute ist sie vor allem ein einzigartiger Kunstschatz, der nach umfänglicher Restaurierung wieder in neuem Glanz erstrahlt.
Adam ist ein Hannoversch-braunschweigischer Land-Zucht-Eber, schwarz-weiß gefärbt mit einem sehr naturwüchsigen Aussehen. Natürlich lebt er schon seit Jahrzehnten nicht mehr und auch die Rasse von Zuchtschweinen, der er angehörte, ist längst ausgestorben. In Gips gegossen gibt es ihn aber noch. Neben vielen weiteren Schweinen, Rindern, Pferden sowie Ziegen und anderen Kleintieren. Schön aufgereiht, Paare sich anblickend, stehen die Nutztiere in den etwas angestaubten Vitrinen im Gebäude der Tiermedizin in der Königinstraße. Dr. Veronika Goebel freut sich deswegen sehr, dass die Präsentation mit dem geplanten Umzug nach Oberschleißheim hochwertiger sein wird: „In den neuen Gebäuden sind dafür Ausstellungsmöglichkeiten eingeplant“, sagt sie, die am Institut für Palaeoanatomie und Geschichte der Tiermedizin von Professor Joris Peters – dem amtierenden Generaldirektor der Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns – forscht.
Ohr oder Schwanz brechen schnell ab
Insgesamt umfasst die Sammlung 286 Haus- und Nutztiere – zum größten Teil vor deutlich mehr als 100 Jahren aus Gips für die Tierzuchtausbildung als Anschauungsmodelle gefertigt. Es gibt aber auch einige aus Porzellan, die weniger der anatomischen Präsentation als künstlerischen Aspekten genügen sollten.
Klar, dass die Stücke in den vergangenen zehn Dekaden gelitten haben. Gipsfiguren sind empfindlich, das Herausnehmen aus den Vitrinen zum Unterricht und das Zurückstellen haben Opfer gefordert: Besonders abstehende Teile mussten dran glauben, als man die Stücke in den Hörsaal transportierte. „Da ist schon mal ein Ohr hängengeblieben“, sagt Olaf Herzog. Der Bildhauer, der unter anderem für die Glyptothek in München tätig ist, hat mittlerweile bei rund 160 Statuetten die tiefsten Narben der Zeit entfernt, wobei er sehr maßvoll vorgegangen ist, um den Originalcharakter möglichst zu bewahren. „Ich habe so wenig wie möglich gemacht“, sagt Herzog. „Die Statuetten sind durch viele Hände gegangen und haben eine gewisse Patina, die erhalten bleiben soll.“ Eine große Herausforderung für den Restaurator ist vor allem die farbliche Reproduktion der Plastiken, die in der Vergangenheit häufig, aber eher laienhaft repariert wurden. „Vielleicht auch, um etwaige Beschädigungen zu vertuschen“, mutmaßt Herzog. „Dabei wurden Lacke eingesetzt, die sich mit der Oberfläche nicht vertrugen und die sich abgelöst haben“, erklärt er. Sie seien dann zum Beispiel mit Klebstoff wieder befestigt worden. „Es ist schwer, die Lacke zu rekonstruieren, und es braucht Zeit und viel Geduld.“
Einzigartige Sammlung
Die meisten der Statuetten stammen aus dem Atelier des Berliner Tierbildhauers Max Landsberg, der die Plastiken gegen Ende des 19. Jahrhunderts mit einer anatomischen Akkuratesse anfertigte, dass man meint, die Tiere hätten beim Modeln diszipliniert stillgestanden. Dabei weiß Olaf Herzog aus eigener Erfahrung, wie schwer es ist, die eigenwilligen Lebewesen bildnerisch festzuhalten. Er selbst hat für sein Meisterstück als Bildhauer einen Stier modelliert – ein Vorhaben, das ihn auch nach Spanien auf manche Corrida führte, um die Bewegungsabläufe genau zu studieren und schließlich in Ton zu überführen. „Es sind lebende Tiere, die sich bewegen und nicht auf Kommandos hören wie Aktmodelle. Man braucht Tage dafür, um Bewegungen nachzubilden.“ Entsprechend kostbar seien solche Plastiken wie die der Tiermedizin mittlerweile – und vor allem selten. „Die Sammlung ist einzigartig, so etwas findet man in Deutschland kein zweites Mal“, sagt Veronika Goebel denn auch nicht ohne Stolz und freut sich, dass die Restaurierung von über 160 Statuetten dank der Finanzierung durch das veterinärwissenschaftliche Department möglich war.
Herzog hat alle Änderungen dokumentiert, größere Beschädigungen wurden repariert, blieben zum Teil aber gewollt sichtbar. Wochenlang hat er in der Abgeschiedenheit der Königinstraße gearbeitet, hat mit den Originalwerkstoffen und -materialien nachgebessert und wirklich ganze Arbeit geleistet – denn die Statuetten, die vorher und nachher abgelichtet wurden, hatten zum Teil wirklich gelitten. Das Zackelschaf etwa, bei dem beiden der beeindruckend gewundenen Hörnern gebrochen sind, oder das Horn des Pinzgauer Stiers, das ebenfalls im Gebrauch der Jahre verschwunden ist.
Natürlich hat die Sammlung für die praktische Ausbildung von Tierärztinnen und -ärzten keinen Nutzen mehr. Aber sie dokumentiert doch sehr eindrucksvoll die einstige Vielfalt von Zuchttierrassen, die zum Teil aufgrund anderer ökonomischer Zielsetzungen ausgestorben sind. „Früher waren Schweinerassen der alten Landschläge zum Teil sehr fett, spätreif und langsam wachsend, die Verbraucher wollten aber eher mageres Fleisch und die Züchter fruchtbare und schnellwachsende Schweine“, erläutert Professor Armin Scholz, Betriebsleiter des Lehr- und Versuchsgutes der Fakultät in Oberschleißheim, den Wandel in den Konsumgewohnheiten. Dieeser habe dazu geführt, dass einige Rassen nicht weiter gezüchtet wurden und letztlich verschwunden seien. „Wenn Zuchtziele nicht weiterverfolgt werden“, so Scholz, „lässt sich eine Rasse mit traditionellen Eigenschaften in der Regel nicht erhalten, sofern sie nicht als wichtige Genreserve erhalten werden soll.
An alte Rassen zu erinnern, ist ein weiterer wichtiger Grund für die Restaurierung von Shorthorn-Stier, Zackelschaf sowie Adams und seiner Partnerin. cg
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