Soziales Engagement an der LMU

Im Behandlungsbus 
an den Rand der Gesellschaft

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Die Hilfsorganisation open.med behandelt alle Menschen – unabhängig von ihrer persönlichen Situation.

Die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer von open.med kümmern sich um die Menschen, die nicht krankenversichert sind und sich eine medizinische Behandlung nicht leisten können. Mit dabei: LMU-Medizinstudentin Isabel Brand und Fachärztin Dr. Kristina Huber vom LMU-Klinikum. Für beide hat die Tätigkeit ihren Blick auf die Welt und vor allem auf die Menschen, für die eine Notfallversorgung keine Selbstverständlichkeit ist, grundlegend geändert.

Isabel Brand erlebt in ihrer Arbeit viel Dankbarkeit. Natürlich regten sich manchmal auch Menschen auf, wenn sie länger auf einen Termin warten müssten. „Aber eine ältere Dame bringt zum Beispiel jedes Mal handgearbeitete Sachen und Kaffee für die Angestellten mit, obwohl sie überhaupt kein Geld hat.“ Die 24-jährige Medizinstudentin der LMU engagiert sich bei open.med – einem Angebot von Ärzte der Welt. Die Münchner Kontaktstelle bietet seit 2006 Menschen, die keinen oder nur einen eingeschränkten Zugang zum Gesundheitssystem haben, kostenlos und anonym eine medizinische Versorgung und Beratung an.

Die meisten Patientinnen und Patienten von open.med haben keine Krankenversicherung. Viele trauten sich aber auch nicht mehr zum Arzt. „Entweder aus Scham oder weil sie keine guten Erfahrungen gemacht haben“, erklärt die gebürtige Landshuterin. Manche glaubten auch, sie hätten keine Krankenversicherung, obwohl sie in Wirklichkeit eine haben. Die Hilfsorganisation empfiehlt zwar in solchen Fällen, zu einem regulären Arzt zu gehen, sie behandelt aber alle Menschen, unabhängig von ihrer persönlichen Situation. Neben der Münchner Arztpraxis gibt es Räume zur Sozialberatung, um den Hilfesuchenden beim Weg in die reguläre Gesundheitsversorgung zu unterstützen.

Zum Kundenstamm gehören viele osteuropäische Patientinnen und Patienten, die irregulär in Deutschland arbeiten und daher von ihrem Arbeitgeber nicht bei der Krankenversicherung angemeldet wurden. „Es gibt aber auch Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft, die sich ihre Privatversicherung irgendwann nicht mehr leisten konnten“, sagt Brand. Sprechstunden gibt es fast täglich – egal ob zu allgemeinen medizinischen Fragen, zu chronischen Krankheiten oder zu Schwangerschaft und Kindergesundheit. Zusätzlich gibt es Sondersprechstunden für seltenere Krankheiten und im Notfall auch ein Spezialistennetzwerk, das kostenlos bei komplizierten Beschwerden hilft.

Mehr Einsätze durch den Krieg in der Ukraine
Brand kam zu open.med über eine Freiwilligenmesse. Seitdem unterstützt sie regelmäßig die behandelnde Ärztin oder den behandelnden Arzt pro Einsatz zwischen vier bis sechs Stunden. Besonders beeindrucken sie die Hilfsaktionen mit dem Behandlungsbus, etwa in der Bayernkaserne für Obdachlose oder am Hauptbahnhof. Dort ist der Bedarf seit Beginn des Ukraine-Kriegs immens gestiegen. „Die Arbeit öffnet einem die Augen“, unterstreicht Brand. Wir seien es gewohnt, im Notfall einfach kostenlos zum Arzt gehen zu können. „Aber wir leben selbst im vermeintlich reichen München in einer Gesellschaft, wo dies für viele Leute nicht selbstverständlich ist.“

Das Engagement bei open.med hat auch Dr. Kristina Huber sensibilisiert. Die 51-Jährige ist Fachärztin für Allgemeinmedizin am LMU Klinikum in der Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin. Wenn sie mit dem Fahrrad durch München fährt, erkennt sie inzwischen sofort die Schlafplätze der obdachlosen Menschen. „Und das sind leider nicht wenige.“ Es sei daher immens wichtig, diesen Menschen in diesem reichen Land eine kostenlose medizinische Behandlung zu ermöglichen. Insbesondere, weil sie von Menschen in unserem Land ausgebeutet würden. „Viele müssen ohne Sicherheitskleidung und Sicherheitshelm an Bahnschienen arbeiten“, erzählt Huber. Auch erhielten Putzkräfte in Hotels nur selten Handschuhe.

Huber ist durch Kolleginnen und Kollegen bei ihrer Facharztausbildung auf open.med aufmerksam geworden. Sie war sofort begeistert, weil sich die ehrenamtliche Tätigkeit durch die Abendschichten gut mit ihrer Arbeit vereinbaren lässt. Die Fachärztin führt bei ihren Einsätzen zuerst ein Anamnesegespräch durch. Bei Menschen, die kein Deutsch sprechen, kann sie einen Übersetzungsdienst zuschalten. Danach entscheidet sie, ob den Patientinnen und Patienten mit Medikamenten geholfen werden kann oder ob sie in eine Fachstelle beziehungsweise ins Krankenhaus überwiesen werden müssen.

Menschen zweiter Klasse
Durch die Tätigkeit bekommt Huber Einblicke, die sie in ihrer Praxis bisher nicht erlebt hat. „Was manche Tagelöhner in einem geschützten Raum erzählen, ist wirklich erschreckend“, sagt sie. Huber versucht ihnen dann zu erklären, dass sie auch Rechte haben. „Obwohl wir alle Menschen sind, wird mit zweierlei Maß gemessen“, klagt die 51-Jährige. Viele zeigten auch Fotos von der Flucht aus Syrien,
Afghanistan oder der Ukraine. Das sei immer sehr emotional und aufwühlend. Helfen kann Huber in dem Fall nicht viel. „Aber oftmals ist es für diese Menschen schon sehr wohltuend, wenn ihnen überhaupt jemand zuhört.“ Sie umarmen Huber dann oft zum Abschluss oder versprechen, sie in ihr Gebet mit einzubeziehen. „Das ist immer sehr berührend.“        

dl

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