Kletterprofi Sarah Kampf wechselte von der Wissenschaft in die Öffentlichkeitsarbeit – und verband den Beruf mit ihrer sportlichen Leidenschaft. Eine schöne Klettertour muss dabei nicht unbedingt schwierig sein, sagt die Wahl-Fränkin.
Dem „King of Bongo” hat Sarah Kampf ins Auge geblickt, dem „Intercooler” und nicht zuletzt dem berüchtigten „Headcrash”. Selbst die „Battle Cat” konnte sie 2018 bezwingen – eine von vielen anspruchsvollen Klettertouren der Fränkischen Schweiz. „Ich glaube, es steckt einfach in mir”, erklärt die 41-jährige Sportkletterin, die neben Felsen mit dramatischen Namen auch ein sozialwissenschaftliches Studium an der LMU gemeistert hat, „das Bedürfnis nach genau diesen Bewegungsabläufen, dieser Art der Anstrengung.”
Aufgewachsen im Allgäu, wurde sie als Jugendliche von einer Freundin auf eine Kletterreise nach Südfrankreich eingeladen. „Und ich liebte es sofort, mich am Felsen zu bewegen.” Sie verlegte ihren sportlichen Fokus vom Langlauf auf das Klettern und nahm erfolgreich an Wettkämpfen an künstlichen Wänden teil: 2001 erreichte sie den zweiten Platz in der Gesamtwertung des Deutschen Sportklettercups, 2003 wurde sie Deutsche Vizemeisterin sowohl im Speedklettern als auch im Schwierigkeitsklettern, bei dem die maximal erreichte Höhe bewertet wird. Neben den Wettkämpfen kletterte Sarah Kampf immer schon auch an natürlichen Felsen – ein Sport, den sie auch während ihrer Zeit an der LMU weiterverfolgen konnte: „Von 2000 bis 2006 studierte ich Politikwissenschaften, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte sowie VWL – und hatte in München die Felsen natürlich nah vor der Haustüre.” Zu ihren Lieblingszielen gehörten etwa Kochel am See oder Kufstein und immer auch schon die Fränkische Schweiz.
Klettern und Schreiben
Nach dem Studium forschte Kampf als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Geschwister-Scholl-Institut sowie am Centrum für angewandte Politikforschung (CAP) im Bereich Europapolitik. „Ich war begeistert von dieser Arbeit an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Beratertätigkeit”, erinnert sie sich. „Es war einfach eine tolle Zeit, in der ich wahnsinnig viel gelernt habe.” Doch langfristig in der Politikberatung zu bleiben, hätte bedeutet, möglicherweise nach Berlin oder Brüssel zu ziehen. „Dann hätte ich das Klettern aufgeben müssen.“ Als eine Outdoor-Firma, die Sarah Kampf als Athletin unterstützt hatte, ihr eine Position in ihrer PR-Abteilung anbot, wagte sie deshalb den Sprung von der Politikwissenschaft in die Öffentlichkeitsarbeit. „So konnte ich meine Leidenschaft Klettern mit dem Beruf verbinden – und nicht zuletzt auch mit meiner Liebe für das Schreiben.” Inzwischen ist sie für den Bergsport-Ausstatter „Equip Outdoor Technologies” tätig, ebenfalls als PR- und Kommunikationsmanagerin, und betreut dessen weltweite Öffentlichkeitsarbeit. So entwirft sie PR-Strategien für die verschiedenen Märkte und versorgt diese mit Pressematerialien.
Aus dem Wettkampfgeschehen hatte sie sich schon am Anfang des LMU-Studiums zurückgezogen – und sich in wenigen Jahren als eine von Deutschlands besten Felskletterinnen etabliert. „Das Klettern am Naturfelsen ist eine andere, sehr viel informeller organisierte Welt als das Wettkampfklettern, orientiert am Gedanken der Freiheit, des gegenseitigen Vertrauens.” Die Felsen und Routen, die Sarah Kampf klettert, haben dabei international gültige Schwierigkeitsgrade, mit denen sich sportliche Leistungen auch ohne Schiedsrichter und Jury vergleichen lassen. So gelang ihr mit dem „Steinbock” 2009 im Frankenjura als weltweit erster Frau die Begehung einer Route im Schwierigkeitsgrad 8c auf der französischen Skala.
Sich hohe, aber realistische Ziele stecken
Reizvoll seien oft Felsen oder Touren, „deren Begehung nicht auf Anhieb klappt, die man erst Schritt für Schritt entschlüsseln muss”. Vieles habe der Fels sie gelehrt: „Damit umzugehen, wenn man ins Seil fällt, der Ausgang einer Tour ungewiss ist, trotzdem geduldig weiterzumachen, sich hohe, aber realistische Ziele zu setzen, einen Plan zu schmieden und minimale Fortschritte als Motivation zu nehmen – all das kann man auch auf andere Teile des Lebens ummünzen.” Was Sarah Kampf beim Klettern noch gelernt hat: „Dass das Durchsteigen eines Projekts nicht zuletzt von einer guten Portion Glück abhängt.” Als gefährlich sieht Sarah Kampf das Klettern generell nicht an. „Solange das Material passt und man selbst oder der Sicherungspartner keine Fehler macht. Sonst kann natürlich auch ein Sturz aus ‚nur’ fünf oder zehn Metern schlimm enden.”
Die schönsten Touren ihrer Kletterkarriere waren dabei nicht nur die steilsten und schwierigsten. „Besonders schön waren etwa die Elternzeitreisen.” Mit Mann und Baby fuhr sie damals im Campingbus viele Wochen lang durch Europa. Und auch jetzt, wo ihre Söhne schon fünf und sieben sind, genießt Sarah Kampf es, ihnen ihre Faszination näherzubringen. „Gerade das Klettern in der Halle macht ihnen Spaß. In der Natur spielen sie lieber am Fuß des Berges im Wald, während mein Mann oder ich klettern, bauen sie sich Höhlen oder schnitzen etwas.”
Minimaler „Impact” am Berg
Auch für sie selbst liegt der Reiz nicht nur im Sport allein. „Es ist das Gesamtpaket, das mich antreibt: draußen zu sein, neue Orte zu entdecken, zu reisen, andere Kletterer zu treffen.” Besonders an internationalen Kletter-Hotspots, wo Bergsportler aus aller Welt aufeinandertreffen, spricht man dann, wie seinerzeit an der LMU, auch über politische oder gesellschaftliche Themen. „Ein Thema sind der Umweltschutz und ein nachhaltiger Zugang zum Outdoorsport.“ Denn die „extrem gestiegene” Zahl der Kletterer habe auch eine Kehrseite. „Überall gibt es Probleme mit Parken, mit verärgerten Anwohnern, mit Müll. Dabei sollten wir Kletterer doch möglichst wenig ‚Impact‘ an dem Ort hinterlassen, den wir so lieben – dem Berg.”
ajb
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