Was tun, wenn eine Depression die Prüfung verhagelt hat? Wie bei ADHS einen Lernplan erstellen? Und: Welche Nachteilsausgleiche gibt es? Studierende mit Beeinträchtigungen haben viele Fragen.
Die Inklusionstutorinnen und -tutoren der LMU helfen weiter.
Mit Anmeldefristen, Stunden- und Studienplänen kämpfen wohl alle Studierenden in den ersten Semestern. Auch die Seminarräume findet man nicht auf Anhieb. Größer sind die Hürden für Studierende mit Beeinträchtigungen. Unkomplizierte Unterstützung bieten da die 27 Inklusionstutoren und -tutorinnen der LMU. Sie studieren an den unterschiedlichsten Fakultäten und kennen sich nicht nur bestens aus mit Lernplänen und Prüfungsordnungen, sie haben auch in einem Kurs gelernt, worauf es bei der Beratung ankommt. Künftig sollen an jeder Fakultät Studierende mit Beeinträchtigungen Ansprechpersonen finden, die ihnen bei allen Fragen zum Thema Studium zur Seite stehen – ein unaufwendiges Ehrenamt, das den Tutoren und Tutorinnen Freude macht.
„Das Lernen hört nicht auf!“
Kübra Nur Tasdemir studiert Gymnasiallehramt in Englisch, Deutsch und Geschichte:
Das Thema Inklusion habe ich in einer Ringvorlesung kennengelernt – und fand es viel zu wichtig, um mich nicht weiter damit zu befassen. Aus dem Inklusionsseminar haben wir alle ein gewisses Basiswissen mitgenommen. Aber danach hört das Lernen ja nicht auf!
Ich finde es wunderbar, in der Tutorenausbildung ganz neue Menschen kennengelernt zu haben. Wir studieren alle in verschiedenen Semestern und an unterschiedlichen Fakultäten. Aber unser gemeinsames Ziel verbindet uns. Es herrscht eine richtig schöne Atmosphäre. Ganz ähnlich ist es mit den Studierenden, die wir begleiten. Wir lernen einander kennen, verbringen mehr und mehr Zeit miteinander und entwickeln eine freundschaftliche Beziehung. Für mich ist Inklusion, dass sich keiner aufgrund einer Behinderung anders fühlen muss. Wir alle könnten ja jederzeit in dieselbe Situation geraten.
„Zuhören ist am wichtigsten!“
Lucca Kern studiert Medizin im achten Semester:
In dem Workshop haben wir sehr viel Praktisches gelernt. Beispielsweise wie man mit einer Sehbehinderung einen Seminarraum findet oder barrierefrei im Internet surft. Solche Übungen verdeutlichen, wie groß der Mehraufwand ist, wenn man eine Beeinträchtigung hat. In der Beratung finde ich es am wichtigsten, zuzuhören, um zu erfahren: Was belastet die Person? Welche Bedürfnisse hat sie? Im Studium steht man ja vor einem Riesenberg von Aufgaben, Terminen, Prüfungen und Fristen. Manchmal treffen wir uns einfach auf einen Kaffee. Mir macht es viel Spaß, das Wissen, das ich mir mit der Zeit erarbeitet habe, an andere weiterzureichen. Eine chronische Erkrankung, eine Behinderung oder Depression sollte doch kein Grund sein, das Studium abzubrechen! Die LMU bietet wahnsinnig viel in Richtung Inklusion, aber barrierefrei sind wir noch nicht. Vieles könnte man noch beschleunigen und optimieren. Wichtig ist, dass das Angebot bekannter wird. Damit die Studierendenschaft weiß: Da passiert was, da kann ich was tun!
„Anderen zu helfen macht mir Freude“
Nele-Gioia Rauer studiert Jura im sechsten Semester:
Während Corona habe ich mich beim Lernen auf meinem Zimmer ein bisschen verloren gefühlt. Die Ausbildung zur Inklusionstutorin war da eine gute Möglichkeit, mich mal nicht nur mit meinen Alltagsproblemen zu beschäftigen. Mit den Studierenden, die ich betreue, checke ich zum Beispiel Räume und Wege auf Barrierefreiheit. Mal entwickeln wir gemeinsam einen Lernplan, mal geht es in der Beratung um eine Schreibverlängerung während der Prüfung oder darum, grundsätzlich Kontakt zum Prüfungsamt herzustellen. Mir fällt es leicht, einfach eine E-Mail zu schreiben, Informationen einzuholen und weiterzuleiten. Damit hatte ich noch nie Probleme. Ich weiß noch ziemlich genau, wie aufregend es war, sich im ersten Semester im unbekannten Uni-Alltag zurechtzufinden! Dass ich heute ohne besonderen Aufwand eine Hilfestellung für andere bin: Das macht mir Freude. Der Zeitaufwand ist gering. Und man lernt was fürs Leben. Insgesamt würde ich mir mehr Aufmerksamkeit für das Thema Inklusion wünschen. Was mir Sorgen macht: Dass sich noch immer viele Studierende, die unter einer psychischen Erkrankung leiden, oft nicht trauen, therapeutische Hilfe zu holen.
„Das Angebot sollte bekannter werden!“
Philipp Beltran, 26, hat an der LMU studiert, lebt seit Dezember in Wien und promoviert dort in Mathematik:
Ich bin Inklusionstutor geworden, weil ich die Möglichkeit interessant fand, anderen mit Informationen aus meinem eigenen Umfeld zu helfen. In den Beratungen drehen sich viele Fragen um das studentische Leben, um Fristen, Anträge und Bewerbungsschreiben zum Beispiel, alles Dinge, mit denen ich bereits zu tun hatte. Um herauszufinden, wie bekannt unser Angebot ist, haben wir darüber hinaus eine Projektgruppe gegründet. Die Umfrage ergab, dass an der Uni so gut wie niemand je etwas von den Inklusionstutoren gehört hatte. Das ist schade. Wäre das Angebot bekannter, könnte viel mehr Menschen geholfen werden. Um den Bekanntheitsgrad zu steigern, werden in nächster Zeit hoffentlich weitere Projekte ins Leben gerufen, die das Feedback der Umfrage aufgreifen. Insgesamt hoffe ich, dass man den Begriff Inklusion irgendwann nicht mehr braucht, weil niemand mehr aus dem normalen Leben ausgeschlossen wird.
goe
Information zu den Inklusionstutorien:
Dipl.-Soz. Romy Hoche, Zentrale Studienberatung – Barrierefrei Studieren, Tel.: +49-89-2180-2963,
E-Mail: Romy.Hoche@lmu.de, www.lmu.de/inklusionstutoren
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