Wie ultrakurze Lichtpulse erzeugt werden. Je kürzer die Blitze, desto schärfer werden die Bilder der rasenden Elementarteilchen. Foto: Thorsten Naeser/LM
Es gibt wissenschaftliche Begriffe, die es in die Alltagswelt geschafft haben. LMU-Wissenschaftler erklären an dieser Stelle solche Ausdrücke – nicht nur mit einer reinen Definition, sondern auch mit einer kurzen Geschichte ihrer Popularität.
„Der Flügelschlag einer Fliege dauert eine Ewigkeit, vergleicht man ihn mit den Zeitdimensionen, mit denen sich Attosekunden-Physiker beschäftigen. Sie erforschen die schnellsten Vorgänge, die in der Natur außerhalb des Atomkerns bekannt sind. Diese Prozesse dauern wenige Attosekunden, das sind Milliardstel einer milliardstel Sekunde, 10-18 Sekunden. Atto greift auf das dänische Wort atten zurück: 18.
In unserem attoworld-Team, das aus Wissenschaftlern der LMU und des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik besteht, interessieren wir uns für das Verhalten von Elektronen in Atomen, aber auch für Moleküle und Festkörpersysteme. Trifft Licht auf Elektronen in Atomen, erhalten diese Energie und machen Sprünge, die rasend schnell ablaufen, innerhalb von zehn bis wenigen hundert Attosekunden.
Um diese Dynamik zu erkunden, muss die Messung ebenso schnell sein wie die Elektronen. Das schaffte unser Team in den Anfangsjahren mit Lichtblitzen, die selbst nur wenige zehn Attosekunden dauerten. Die zu erzeugen gelang uns erstmals im Jahr 2001. Später schossen wir zwei Lichtblitze auf Proben, der erste setzte die an Atomen gebundenen Elektronen in Bewegung, der zweite beeinflusste diese Bewegung. Und zwar so, dass wir die Vorgänge messen konnten, wir „fotografierten“ die Elektronen in ihrer Bewegung. Je kürzer dabei die Lichtpulse sind, desto schärfer werden die Bilder der rasenden Elementarteilchen.
Heute brauchen wir keine Attosekunden-Lichtblitze mehr. Stattdessen basieren unsere Messungen darauf, dass jeder physikalische Prozess, der sich auf der Attosekunden-Skala abspielt und den wir exakt starten können, selbst die Rolle der Kamera mit einer Attosekunden-Verschlusszeit übernehmen kann. Ohne Lichtblitze messen wir nun das oszillierende elektrische Feld einer Lichtwelle mit Attosekunden-Präzision.
Sowohl in der Natur als auch in der Technik spielen die Bewegungen von Elektronen eine fundamentale Rolle. Sie läuten chemische Reaktionen ein, binden Atome zu Molekülen oder helfen bei der Informations- und Reizübertragung in Organismen. In Festkörpern bewegen sich Elektronen im Kristallgitter. Dadurch werden die Metalle und Halbleiter elektrisch leitfähig. Die Informationstechnologie nutzt Elektronen als Überträger von Daten. Kein Computerchip wird jemals schneller rechnen, als sich Elektronen bewegen.
Langfristig könnte es aber möglich werden über eine lichtgesteuerte Elektronik, die Informations- und Datenübertagung um den Faktor 100.000 im Vergleich zu heute zu beschleunigen. Diese Aussichten haben wesentlich dazu beigetragen, dass ich mit meinen Kollegen Pierre Agostini und Anne L’Hullier im Jahr 2023 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Das ist für mich die höchste Ehre. Meine Hoffnung ist, dass dies dazu beiträgt, junge Leute für dieses Forschungsgebiet zu interessieren.“
Protokoll: Vladislav Yakovlev und Thorsten Naeser
Professor Ferenc Krausz ist Inhaber des Lehrstuhls für Experimentalphysik – Laserphysik an der LMU und Direktor am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching. 2023 wurde ihm der Nobelpreis für Physik zugesprochen.
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