Initiatorin Francesca Biagini: „Wir wollen einen Fokus auf die Relevanz von Diversität in der Forschung setzen.“ Foto: C. Olesinski/LMU
Vor ein paar Jahren noch präsentierte eine große Suchmaschine bei der Bildersuche mit dem Stichwort „University Professor“ nur Porträts weißer männlicher Hochschullehrer, wenig später waren nahezu paritätisch Frauen vertreten, womit der Algorithmus wiederum die Wirklichkeit verzerrte. Frauke Kreuter, Statistik-Professorin an der LMU, erforscht, was wir aus Big Data herausholen können, sie untersucht aber eben auch die Fallstricke, wie schwierig es zum Beispiel ist, ein korrektes Bild der Gesellschaft zu gewinnen, wenn man sich lediglich auf digitale Datenspuren verlässt. Eine Herausforderung auch für die KI-Forschung und das Training selbstlernender Algorithmen.
Diversität hat viele Facetten
Über zwei weitere Beispiele, in die Aspekte von Gender und Diversity in die Forschung integriert werden, können Sie auf den folgenden Seiten dieser Einsichten-Ausgabe lesen: Susanna Hofmann, Professorin für Fettstoffwechsel und metabolische Erkrankungen am LMU-Klinikum, untersucht in ihren Arbeiten, wie geschlechtsspezifische Unterschiede medizinisch relevant sein können. Frauen und Männer haben unterschiedliche Krankheitsrisiken etwa für Herzinfarkt, Multiple Sklerose oder Rheuma. Sie zeigen häufig unterschiedliche Symptome, Verläufe und Reaktionen auf Therapien. Und Anna Meiser, Professorin für Interkulturelle Kommunikation, untersucht das „Wissen der Anderen“, den Versuch sogenannter interkultureller Hochschulen in Lateinamerika, verschiedene Wissenskulturen miteinander in Dialog zu bringen.
Sicher, die LMU ist in den vergangenen Jahren in Fragen der Geschlechterparität deutlich weitergekommen, zudem hat sie sich nicht zuletzt im Rahmen ihrer Gesamtstrategie LMUexcellent ehrgeizige Ziele gesetzt. Der Frauenanteil bei den Berufungen lag zuletzt bei 30 Prozent, bei den Berufungen im Rahmen der Hightech Agenda Bayern gar bei 44 Prozent. Von den Postdocs an unserer Universität waren zuletzt 53 Prozent weiblich. Auch in der Frage der Internationalisierung ihrer Community hat die LMU einen guten Schritt nach vorne gemacht. Mittlerweile hat ein Viertel des wissenschaftlichen Personals eine andere als die deutsche Staatsbürgerschaft. Fast 100 Herkunftsländer sind vertreten. Es geht dabei also um Fragen von Chancengleichheit.
Doch das Thema Diversität hat noch andere Facetten. Wir alle machen die Erfahrung in unserem Forschungsalltag – und zahlreiche Studien zeigen es: Die Arbeit in diversen Teams verspricht ein Plus an Kreativität und Innovation. Es wirkt sich positiv aus, wenn möglichst viele Perspektiven zusammenkommen – verschiedene Kulturen, ein unterschiedlicher sozialer Background, eine altersgemischte Teamstruktur. In vielen Arbeitsgruppen ist diese Form von Diversität an der LMU längst Standard.
Die Rolle von Diversität in der Forschung
Doch die Beispiele zu Beginn zeigen, dass Gender- und Diversitätsaspekte in unterschiedlicher Weise für Forschung relevant sein können. Die Berücksichtigung von Vielfaltsdimensionen in der Planung, Methodenwahl und Forschungspraxis kann zu neuen Fragestellungen und Ansätzen führen sowie zu innovativen Lösungen für komplexe gesellschaftliche Herausforderungen beitragen.
Mit dieser Idee sind wir nicht alleine: Auf EU-Ebene wird das Thema bereits stark befördert. Nicht zuletzt deswegen steht es auch hierzulande für alle Forschungseinrichtungen auf der Tagesordnung. Der Senat der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) hat es unlängst in einer Stellungnahme so formuliert: „Eine angemessene Berücksichtigung von Geschlechter- und Vielfältigkeitsdimensionen in der Entwicklung von Forschungsfragen, der Hypothesen- und Theoriebildung trägt entsprechend dazu bei, dass Forschungsergebnisse an wissenschaftlicher Qualität gewinnen.“
„Vielfaltsdimensionen in Planung, Methodenwahl und Praxis zu berücksichtigen, kann zu neuen Forschungsfragen führen.“
Prof. Dr. Francesca Biagini
Für viele Disziplinen, etwa in den Sozialwissenschaften, mag das unmittelbar einleuchten, für andere Fächer braucht es womöglich einen zweiten Blick. Und natürlich gilt es nicht für jedes Forschungsthema. Doch sei dies erst einmal unabhängig von der Disziplin und gelte „etwa dann“, so die DFG weiter, „wenn es um die Übertragbarkeit von Ergebnissen auf und ihre spätere Anwendbarkeit oder Nutzbarkeit für unterschiedliche Personengruppen geht.“
Wir haben an der LMU in diesem Sommersemester eine Initiative gestartet, um einen Fokus auf die Relevanz von Diversität in der Forschung zu setzen. Fakultäten und Einrichtungen der LMU haben zahlreiche Beiträge, Workshops und Vorträge organisiert, so vielfältig wie die Vielfalt der Disziplinen an der LMU. Sie reichen von der Genderperspektive in der Ausbildung in den Gesundheitsberufen über Initiativen zur Biodiversität bis zur Auseinandersetzung mit Sprache und Diversität sowie der Zusammenarbeit in interkulturellen Teams.
Diversität, darauf möchten wir hinweisen, hat ein großes Potenzial für eine Forschung, die sich an den Herausforderungen einer vielfältigen Gesellschaft orientiert.
Ihre Francesca Biagini
LMU-Vizepräsidentin für die Bereiche Internationales und Diversity
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