Die LMU betreut und verwaltet eigene Stiftungen, aber daneben gibt es noch viele andere, die ebenfalls das Ziel verfolgen, Studierende und Forschung zu fördern. Wie eigenständig sind sie und wie arbeiten sie fachlich und organisatorisch auch mit Universitäten zusammen erläutert Professor Stefan Stolte von der Geschäftsleitung des Deutschen Stiftungszentrums.
MUM: Herr Professor Stolte, Sie sind in der Geschäftsleitung des Deutschen Stiftungszentrums im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft. Wie sieht das konkret in der Stiftungspraxis aus?
Stolte: Dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft gehören etwa 3.000 Mitglieder an. Das sind hauptsächlich mittelständische Unternehmen, DAX30-Unternehmen, außerdem Privatpersonen, die sich für Bildung und Wissenschaft engagieren. Wir betreuen zudem bundesweit etwa 650 gemeinnützige Stiftungen. Der Bundesverband Deutscher Stiftungen arbeitet als Interessenvertretung der Stiftungen und hat ebenfalls etwa 3.000 Mitglieder. Es sind also zwei verschiedene Verbände.
„Man kann Studierende nur ermutigen, sich für ein Stipendium zu bewerben.
Es gibt rund 2.000 Stiftungen, die Stipendien vergeben.“
MUM: Wann darf sich ein Förderer eigentlich Stifter nennen?
Stolte: Der Begriff „Stiftung“ ist rechtlich nicht eindeutig definiert. Wir unterscheiden verschiedene Arten von Stiftungen: in erster Linie rechtsfähige Stiftungen und Treuhandstiftungen. Aber auch ein gemeinnütziger Verein oder eine gemeinnützige GmbH können sich Stiftung nennen. Es gibt große, renommierte Einrichtungen wie etwa die Robert Bosch-Stiftung, die von der Rechtsform her eine gemeinnützige GmbH ist. Die bekannte Konrad-Adenauer-Stiftung ist beispielsweise ein e.V.
MUM: Stiftungen werden dazu gegründet, gesamtgesellschaftliche Aufgaben zu bewältigen und politisches Handeln zu ergänzen. Werden sie dort aktiv, wo dem Staat das Geld fehlt?
Stolte: Die Idee ist in der Regel nicht, den Staat zu substituieren oder zu entlasten, denn das wäre kein Mehrwert. Stiftungen wollen vielmehr Vorreiter sein, innovativ sein, Wissen voranbringen.
MUM: Seit wann gibt es denn überhaupt Stiftungen?
Stolte: Da kann man bis in die Antike zurückblicken. Es ist ein universalhistorisches Phänomen. In der Antike war das natürlich nicht so fein juristisch ausdefiniert, wie es das heute ist, aber der Grundgedanke ist uralt. Allerdings stand im Mittelalter der Altruismus nicht im Vordergrund, sondern der Gedanke, etwas für das eigene Seelenheil zu tun und bessere Chancen zu haben, in den Himmel zu kommen.
MUM: Und heute gibt es das Vorurteil, dass Stiftungen hauptsächlich dem Stifter dienen, der doch nicht so altruistisch ist, sondern Steuer spart. Trifft das zu?
Stolte: Leider werden Menschen mit einem großen Vermögen in Medien in Deutschland generell misstrauisch gesehen. Wer wie ich seit 15 Jahren tagtäglich mit Stifterinnen und Stiftern zusammenarbeitet, kann sagen, dass sie von dem ernsthaften Wunsch angetrieben sind, etwas an die Gesellschaft zurückzugeben. Wer eine Stiftung gründet oder wer stiftet, trennt sich ja von einem Teil seines Vermögens. Das Geld gehört ihm dann nicht mehr, unwiderruflich. Wer stiftet, erreicht zugleich, dass der Staat sich über die Steuererleichterung rechnerisch an der Stiftung beteiligt. Das tut der Staat ganz bewusst, wenn es sich um gemeinnützige Zwecke handelt. Was gemeinnützig ist, definiert der Gesetzgeber sehr konkret in der Abgabenordnung. Die Alternative wäre, das Geld den Kindern zu vererben oder das Geld für sich zu verwenden. Ich sehe die Gründung einer Stiftung grundsätzlich als positives Signal und als Ausdruck von Verantwortung für andere.
MUM: Kann ein Stifter im konkreten Fall bestimmen, an welcher Uni er Stipendien vergeben möchte?
Stolte: Es gibt über 3.200 Stipendienprogramme. Davon sind viele der größeren Programme bundesweit angelegt. Die kleineren sind häufig regional ausgerichtet und werden an einer bestimmten Fakultät vergeben. Also haben Studierende an allen Unis und allen Fakultäten eine Chance, ein Stipendium zu bekommen.
MUM: Werden die Stiftungszwecke mit der Universität abgestimmt?
Stolte: Ja, man bespricht mit der Uni, für welche Fachrichtung die Stipendien gedacht sein sollen, damit sie fachgerecht und gleichmäßiger verteilt werden können. Zum Beispiel gibt es für Geschichtswissenschaften oder Soziologie weniger Angebote. Deshalb haben die Unis ein Interesse, dass die Stiftungsgelder ohne eine Bindung an eine bestimmte Fakultät vergeben werden.
MUM: Wenn man die Vielzahl von Stiftungen im Wissenschaftsbereich anschaut, scheint es ja noch einen großen Nachholbedarf zu geben, in einem Land, dessen wichtigster Rohstoff das Wissen ist.
Stolte: Es gibt tatsächlich schon viele private und auch staatliche Mittel für Stipendien. Letztere werden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert und über die Begabtenförderwerke vergeben, insbesondere die Studienstiftung des Deutschen Volkes. Allerdings bekommen insgesamt nur drei Prozent der Studierenden ein Stipendium.
„Aber es liegt zum Teil auch daran, dass sich die meisten Studierenden gar nicht um ein Stipendium bewerben. Da wäre mehr Selbstvertrauen sinnvoll.“
MUM: Wie kommt das?
Stolte: Das hat mehrere Gründe. Wir haben in Deutschland – anders als etwa in den USA – keine hohen Studiengebühren, sodass es viele Studierende schaffen, ihr Studium über BAFöG, die Eltern oder über Studentenjobs zu finanzieren. Und natürlich ist die Zahl der verfügbaren Stipendien beschränkt. Staat und Stiftungen sollten ganz sicher mehr in Bildung investieren, um mehr Chancengerechtigkeit herzustellen! Aber es liegt zum Teil leider auch daran, dass sich die meisten Studierenden gar nicht um ein Stipendium bewerben. Das ist menschlich nachvollziehbar, weil sich viele Studierende keine guten Chancen ausrechnen, weil sie meinen, nicht gut genug zu sein. Da wäre mehr Selbstvertrauen sinnvoll.
MUM: Manche Stiftungen fördern ja explizit herausragende wissenschaftliche Leistungen. Zählt immer nur die Leistung und wie kann man sich bewerben?
Stolte: Die Kriterien, nach denen Stipendien vergeben werden, können ganz unterschiedlich sein, müssen aber auch immer objektiv nachvollziehbar sein.
Dabei macht auch immer das Gemeinnützigkeitsrecht Vorgaben. Es gibt Stiftungen, die Eliteförderung betreiben wollen. Es gibt auf der anderen Seite aber auch Stiftungen, die wollen genau das nicht, bei denen steht nicht die Leistung im Vordergrund, sondern soziale Kriterien, etwa wenn Studierende aus ärmeren Haushalten kommen.
MUM: Wird diese Chance ausreichend genutzt?
Stolte: Gerade auf diesem Gebiet ist noch viel Luft nach oben. Deshalb ist es besonders wichtig, dass alle, die von einer Stiftung potenziell Unterstützung bekommen könnten, das auch wissen. Da ist mehr Transparenz nötig, sie könnte schon in der Schule anfangen. Es gibt 2.000 Stiftungen, die Stipendien vergeben. Meist hat man nur die ganz großen Begabtenförderwerke vor Augen. Aber es gibt wirklich gut aufbereitete Plattformen im Internet, auf denen man sich schon als Schülerin oder Schüler über Fördermöglichkeiten informieren kann und die auch motivierend wirken. Man kann Studierende nur ermutigen, sich für ein Stipendium zu bewerben.
> interview: fue
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