„Hochwertige Bildung“ gehört zu den Zielen für nachhaltige Entwicklung der UN. Kinder im bürgerkriegsgeschüttelten Syrien gehören nicht eben zu denen, die mit den besten Chancen aufwachsen – eine Aufgabe für die Entwicklungshilfe. Schulklasse in Atarib, April 2021. Foto: Juma Muhammad/ZUMAPRESS.com/Picture Alliance
Entwicklungshilfe mit KI
Ein Algorithmus optimiert das globale Monitoring von Projekten und zeigt, in welchen Themenbereichen es Bedarf gibt.
KI-Experten um Stefan Feuerriegel, Leiter des Institute of Artificial Intelligence in Management der LMU, sorgen für Durchblick in der globalen Entwicklungshilfe. Das Team hat ein System Künstlicher Intelligenz entwickelt, das Entwicklungshilfe-Projekte umfassender kategorisiert, als es bislang möglich war, und deren Monitoring verbessert.
„Mithilfe unseres Rahmenwerks ist es möglich, Projekte der globalen Entwicklungshilfe unter verschiedenen Gesichtspunkten wie zum Beispiel Klimaschutz zu beobachten. Dadurch können wir regionale und zeitliche Unterschiede identifizieren und auf Lücken hinweisen“, sagt Stefan Feuerriegel. Der Ansatz soll Institutionen der Entwicklungshilfe dabei unterstützen, evidenzbasierte Entscheidungen im Sinne der von den UN beschlossenen Ziele einer nachhaltigen Entwicklung zu treffen.
Das LMU-Team hat mit seiner KI-Methode 3,2 Millionen Projekte der Entwicklungshilfe erfasst, die zwischen den Jahren 2000 und 2019 durchgeführt wurden. Im Rahmen dieser Projekte wurden insgesamt 2,8 Billionen US-Dollar investiert. Die Projekte wurden mithilfe von KI in verschiedene thematische Gruppen kategorisiert. Diese Unterteilung zeigt, in welchen Bereichen Forschungsbedarf besteht. Auch regional lässt sich nun aufzeigen, wo bestimmte Aspekte bislang vernachlässigt wurden.
Im Bereich der Entwicklungshilfe gibt es sehr unterschiedliche Ansätze und Geldgeber. Dazu zählen etwa Materiallieferungen ebenso wie finanzielle Zuwendungen, Trainings und auch technologische Unterstützung. Die Projekte werden von internationalen Organisationen wie von kleineren nationalen Trägern finanziert. „Angesichts der im Rahmen von Entwicklungshilfe verteilten Summen ist es wichtig, einen globalen Überblick zu haben, wohin und in welche Bereiche Unterstützung fließt. Nur so lassen sich die Projekte sinnvoll auf globaler Ebene koordinieren“, sagt Feuerriegel. (nh) Nature Sustainability, April 2022
Alarm in der Arktis
Eine internationale Forschungskampagne vermisst beunruhigende Erwärmung
Die groß angelegte Kampagne HA-LO-(AC)3 untersucht ein überaus beunruhigendes Phänomen. Seit einigen Jahrzehnten nämlich beobachten Forschende einen überdurchschnittlichen Temperaturanstieg in der Arktis. Das Team, dem auch LMU-Atmosphärenforscher Bernhard Mayer angehört, richtet besonderes Augenmerk auf nordwärts gerichtete Warmlufteinschübe in die zentrale Arktis sowie Kaltluftausbrüche aus der Arktis in Richtung Süden. Ziel der Messungen ist es, den unerwartet hohen Anstieg der Temperaturen zu verstehen, der mit zwei bis drei Grad Celsius in den letzten 50 Jahren viel stärker ausfiel als die Erwärmung in anderen Regionen der Erde. Dieses als „arktische Verstärkung“ bezeichnete Phänomen wirkt sich nicht nur auf das regionale Klimasystem der Arktis aus, sondern auch das heimische Wetter.
Die Zahl: 64
Tochterzellen geblockt
Toxoplasmose gehört den weltweit am weitesten verbreiteten Zoonosen. Es ist eine Infektionskrankheit, die von Katzen auf den Menschen übertragen werden kann. Verursacher ist der einzellige Parasit Toxoplasma gondii, er bildet innerhalb der Wirtszelle ein kleines Bläschen. In dieser können sich bis zu 64 Tochterzellen bilden, die sobald sie reif sind, weitere Wirtszellen befallen. Ein Team um LMU-Parasitologen Markus Meißner hat nun eine Methode entdeckt, die Proteinregulation des Parasiten zu blockiert, was zum Absterben innerhalb der Zelle führt. Nature Microbiology, 2022
Austausch von Signalen
Atherosklerose: Wie erkrankte Blutgefäße mit dem Hirn kommunizieren
Labore weltweit forschen zu Atherosklerose. Ihr Fokus liegt auf atherosklerotischen Plaques, Ablagerungen aus Cholesterin, faserigem Gewebe und Immunzellen, die sich im Inneren von Arterien bilden und diese verengen. Bislang aber hat niemand gefragt, ob es eine direkte Verbindung zwischen Arterie und Gehirn gibt. Genau die konnte nun ein internationales Team um LMU-Mediziner Andreas Habenicht nachweisen. Es berichtet über Signale, die vom Blutgefäß mit Plaques über Nerven zum Gehirn geleitet werden. Offenbar reagiert das periphere Nervensystem auf die Entzündungen auch an der Außenseite der betroffenen Arterien. Nach Verarbeitung gelangen weitere Signale zurück zum Blutgefäß. Dieser bisher unbekannte Kreislauf habe perspektivisch große Bedeutung für neue Therapien, meinen die Forscher. Nature, 2022
Karte des Kartoffel-Genoms
Entschlüsselung des Bauplans öffnet neue Wege in der Züchtung
Die Kartoffel wird weltweit immer mehr zum Bestandteil der Grundernährung und wird selbst in asiatischen Ländern immer häufiger konsumiert. Die Zucht neuer Kartoffelsorten, die produktiver und widerstandsfähiger gegen den Klimawandel sind, könnte daher einen großen Einfluss auf die weltweite Ernährungssicherheit haben. Allerdings blieben bis heute alle Bemühungen, Sorten mit höheren Erträgen zu züchten, weitgehend erfolglos. Der Grund dafür liegt im komplexen Genom der Pflanze: Sie erbt von beiden Elternteilen je zwei Kopien jedes Chromosoms, sodass sie vier Kopien jedes Gens besitzt. Das macht es schwierig und zeitaufwendig, neue Sorten mit einer gewünschten Kombination individueller Eigenschaften gezielt zu erzeugen.
Einem Team um den LMU-Genetiker Korbinian Schneeberger ist nun ein wichtiger Fortschritt auf diesem Weg gelungen: Die Forschenden konnten erstmals das Genom der Kartoffel vollständig entschlüsseln, indem sie die DNA nicht wie üblich aus dem Blattgewebe entnahmen, sondern die Genome einzelner Pollenzellen analysierten. Im Gegensatz zu anderen Zellen enthalten Pollenzellen nur zwei Kopien jedes Chromosoms, was die Rekonstruktion des Genoms erleichtert. Mit diesen Informationen lassen sich Genvarianten, die für erwünschte oder unerwünschte Eigenschaften verantwortlich sind, leichter identifizieren. (MPIPZ/LMU) Nature Genetics, 2022
Soziale Herkunft prägt den Berufseinstieg
Erst später machen Uni-Absolventen Effekte einer bildungsarmen Herkunft wett
Der Vererbung von Lebenschancen lässt sich selbst mit Hochschulabschluss nur mühsam gegensteuern: Uni-Absolventen aus Familien mit geringem Bildungsniveau haben es beim Berufseinstieg schwerer als Kinder aus begünstigteren Verhältnissen. Erst mit zunehmender Berufserfahrung können sie diesen Nachteil wettmachen. Kindern aus Familien mit hoher Bildung dagegen verhilft ihre Herkunft zu einem „Happy Start“. Die Studie der LMU-Soziologen Fabian Kratz und Bettina Pettinger bestätigt, dass in Deutschland Lebenschancen vererbt werden: Bildungschancen hängen stark von der familiären Herkunft ab. Von elterlichen Ressourcen profitieren auch Kinder, die selbst nur einen niedrigen Bildungsabschluss erreichen. (nh) European Sociological Review, 2022
Die mykenische Kultur im bronzezeitlichen Griechenland ist nicht nur berühmt für.kunst volle Goldmasken, sondern auch für die exportorientierte Massen- produktion von Keramikgefäßen und Bronzen. LMUArchäologen um Philipp Stockhammer zeigten, dass diese Massenproduktion bereits vor 3000 Jahren möglich war, 1000 Jahre früher als ge- dacht. Die Menschen nutzten Braunkohle für ihre Brenn und Schmelzöfen. PNAS, 2021
Die Lohnlücke wird größer
Neue Studie zeigt: Teilzeitarbeit ist wichtiger Treiber des Gender Wage Gap
Der Begriff Gender Wage Gap bezeichnet die ungleichen Löhne zwischen Männern und Frauen, wobei Frauen im Durchschnitt weniger verdienen. Oberflächlich betrachtet stagniert diese Lohnlücke, obwohl Frauen in den vergangenen Jahrzehnten bei Bildungsabschlüssen und Berufserfahrung gegenüber den Männern deutlich aufgeholt haben. Eine neue Studie zeigt nun gegenläufige Faktoren auf: Insbesondere Teilzeitarbeit befördert den Gender Wage Gap sogar: „Die starke Ausweitung von Teilzeitarbeit in den vergangenen Jahrzehnten speziell bei Frauen ist mit einer deutlichen Ausweitung des Gender Wage Gap einhergegangen“, sagt LMU-Soziologin Katrin Auspurg. „Das liegt an den zunehmenden Lohnunterschieden zwischen Teilzeit- und Vollzeitarbeit und daran, dass vor allem Frauen zunehmend Teilzeit arbeiten.“ (nh) European Sociological Review, 2022
Angriff auf die Synapsen
Langfristiger Benzodiazepin-Gebrauch führt zum Verlust von Nervenverbindungen
Benzodiazepine sind weit verbreitete Medikamente zur Behandlung von Angstzuständen und Schlafstörungen. Ihre langfristige Einnahme kann zu körperlicher Abhängigkeit und vor allem bei älteren Menschen zu kognitiven Beeinträchtigungen führen. Ein Team um die LMU-Neuroforscher Jochen Herms und Mario Dorostkar hat nun eine mechanistische Erklärung dafür gefunden: Benzodiazepine können Immunzellen des Gehirns, die Mikroglia, über das Protein TSPO aktivieren, die dann Synapsen abbauen und recyceln. Experimente zeigten, dass der Synapsenverlust bei Mäusen, die einige Wochen lang den Stoff Diazepam erhielten, zum Verlust von Nervenverbindungen führte. Laut den Autoren könnte die Studie Auswirkungen auf Behandlung etwa von Angstzuständen bei Menschen mit Demenzrisiko haben. (göd) Nature Neuroscience, 2022
Der Ursprung des Lebens: Eine neue Weltsicht
Eine Mischung aus RNA-Molekülen und Peptiden brachte die Evolution in Gang
Wie entstanden auf der frühen Erde die Grundbausteine komplexeren Lebens? Nach der sogenannten RNA-Welt-Idee bildeten sich in einer Art Ursuppe zunächst Nukleotide, Grundbausteine der Erbmoleküle, die dann kurze RNA-Moleküle formten. Für die noch offene Frage, wie die RNA mit der Welt der Proteine verknüpft worden sein könnte, hat nun ein Team um den LMU-Chemiker Thomas Carell eine Antwort gefunden. Demnach sind nicht-kanonische – also nicht kodierende – Nukleotide der Schlüssel, die sehr wahrscheinlich Relikte der frühen RNA-Welt sind. Einige dieser molekularen Fossile können sich mit Aminosäuren oder sogar kleinen Peptid-Ketten verknüpfen, sodass RNA-Peptid-Mischstrukturen entstehen, in denen die an der RNA angeknüpften Aminosäuren und Peptide miteinander zu größer und komplexer werdenden Peptiden reagieren. Die Fossil-Nukleotide sind also so etwas wie Keimzellen in der RNA, an denen lange Peptidketten wachsen können. „Möglicherweise gab es nie eine reine RNA-Welt, sondern RNA und Peptide lagen von Anfang an in einem gemeinsamen Molekül vor“, sagt Carell. Man müsse das Konzept einer RNA-Welt zu einem RNA-Peptid-Welt-Konzept erweitern. (huf) Nature, 2022
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