Münchner Studierende engagieren sich für Ukrainische Geflüchtete

Alle fünf Minuten ein Hilfsangebot

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Viele Studierende unterstützen die Initiative – ganz gleich, ob beim Sortieren von Spenden oder dem Befüllen von Kartons mit Hilfsgütern.

Der Verein „Students for Ukraine Munich e.V.“ (SfU), ins Leben gerufen von LMU-Studierenden, unterstützt Geflüchtete mit Spenden, Sprachkursen, Mentoring und nicht zuletzt Kinderbetreuung.

Am Tag nach Beginn des Krieges in der Ukraine kamen die LMU-Fachschaften virtuell zusammen. „Auf Zoom trafen sich mehr als 200 Mitglieder fast aller Fächer“, erinnert sich Luca Gnibl, die Politik-wissenschaft und Geschichte studiert. „Alle waren geschockt, und wir brainstormten, wie wir als Studierende auf diesen Angriff reagieren könnten.“ Schon übers Wochenende stellte man eine Kundgebung auf die Beine – und am Montag strömten mehr als 2.000 Studierende auf den Geschwister-Scholl-Platz. „Die Leute standen bis auf den Radweg“, erinnert sich Gnibl, „mit Covid-Masken und gelb-blauen Fähnchen.“

Als sich abzeichnete, dass der Krieg allen Hoffnungen entgegen andauern würde, gründeten die Studierenden den Verein „Students for Ukraine Munich“, zu deren Vorstand Luca Gnibl heute gehört. Im März riefen sie zu einer ersten Sachspendensammlung auf. „Es meldeten sich unglaublich viele Studierende, die Spenden sortieren und Kartons mit Hilfsgütern füllen wollten“, so Gnibl. „Erste-Hilfe-Packs, Hygieneartikel, Medikamente, Instantsuppen, Schlafsäcke, Fruchtriegel, Schokolade…“ Vom Verein „München hilft Ukraine e.V.“, der die Spenden an die ukrainische Grenze transportierte, bekamen die Studierenden eine Prioritätenliste an die Hand. „Gerade Babynahrung und Windeln konnte man in der Ukraine damals einfach nicht bekommen“, so Gnibl. Auch ihr Mitvorsitzender Simon Dürrmeier, der Philosophie und Informatik studiert, war überwältigt von der spontanen Hilfsbereitschaft. „Zu Stoßzeiten kam alle fünf Minuten eine E-Mail, in der jemand seine Hilfe anbot. Das war anstrengend, aber natürlich sehr schön.“ Vor allem waren es Studierende, die spenden und mithelfen wollten. „Aber es meldeten sich auch Unternehmen, die spontan Hunderte von Jacken oder Desinfektionsmitteln abgeben wollten. Und jemand bot uns sogar sein Auto an.“

Deutsch lehren, Papierflieger basteln

Für die Geflüchteten, die bald nach München drängten, richtete man in Kooperation mit dem Institut für Deutsch als Fremdsprache (DaF) der LMU Sprachkurse ein. „Denn Integration fängt mit Sprache an“, so Luca Gnibl. „Und die meisten Geflüchteten verstanden praktisch kein Deutsch.“ Die täglichen Grundlagenkurse werden in Seminarräumen der LMU gehalten, von ehrenamtlichen DaF-Studierenden. „Es geht um einen Einstieg ins Deutsche“, erklärt Gnibl, „auch wenn es erstmal nur Hallo und Danke ist und eine Bestellung in der Bäckerei.“ Es konnten bisher knapp hundert Kursplätze vergeben werden, vor allem an Studierende und Schulabgänger. Der Deutsche Akademische Austauschdienst unterstützt sie mit Hilfskraftstellen; Lehrbücher werden über den LMU-Hilfsfonds und den Hueber-Verlag finanziert. „Die Geflüchteten scheinen froh zu sein, hier Deutsch lernen zu können“, glaubt Gnibl.

Um etwas Ablenkung zu bieten und den Einstieg in den Alltag zu erleichtern, stellt SfU geflüchteten ukrainischen Studierenden „Buddys“ zur Seite – Mentorinnen und Mentoren, die bei all-fälligen Fragen helfen: Wie validiere ich meinen Bibliotheksausweis? Was muss ich bei der Immatrikulation beachten? Wohin kann man gemeinsame Ausflüge unternehmen? „In unserem Peer-to-Peer-Programm geht auch darum, Anschluss an das Münchner Studenten-leben zu finden“, erklärt Luca Gnibl.

Insgesamt engagieren sich bei SfU derzeit rund 70 Studierende, vorrangig aus den Reihen der LMU, aber auch von der Technischen Universität München. Und am Projekt „Students for Children“ wirken insbesondere Studierende der Hochschule München mit. Diese besuchen unter anderem die Münchner Notunterkünfte und helfen dort bei der Kinderbetreuung. Gemeinsam malt man, bastelt Papierflieger, spielt Fangen oder einfache Brettspiele, die kaum verbaler Kommunikation bedürfen. Mitorganisatorin Nadja Wolfsbauer, die an der Hochschule München Soziale Arbeit studiert, erinnert sich an eine ukrainische Mutter: „Es war ihr Geburtstag und sie sagte weinend, ihr schönstes Geschenk sei, dass wir ihre Kinder wieder zum Lachen gebracht haben.“ Und ein Junge, der sie schon besser kannte, umarmte Wolfsbauer zur Begrüßung und fragte auf Deutsch, wie es ihr ginge. „Solche Fortschritte zu sehen und die Freude über unseren Besuch, das ist einfach wunderbar“, findet die Studentin.

Kommilitone im Krieg 

Kinderbetreuung, Deutschkurse, Spenden: „Dass sich aus unserem Brainstorming im Februar  eine so große Sache entwickeln würde, hätten wir nie gedacht“, erklärt Luca Gnibl. Dabei hätten sie als Studierende auch selbst viel gelernt. „So etwas wie Kundgebungen organisieren, Hilfsgüter sortieren oder auch Medieninterviews führen hatten wir zuvor ja noch nie gemacht.“ Nach dem gewaltigen Zuspruch der Münchner Studierenden am Anfang sei es jetzt allerdings ruhiger geworden. „Es ist schwierig, personell langfristig Unterstützung zu bekommen“, so Simon Dürrmeier. „Das liegt natürlich auch daran, dass die Kommilitonen je nach Studienphase unterschiedlich viel Zeit haben – in der vorlesungsfreien Zeit mehr, während der Prüfungen weniger.“ Insbesondere für die Kinderbetreuung und das Peer-to-Peer-Programm sucht man noch Unterstützung.

Auch eine zweite Kundgebung mehrere Wochen nach Kriegsbeginn hatte mit circa 300 Studierenden bereits deutlich weniger Teilnehmende als die erste. „Dabei waren die Ansprachen von unseren ukrainischen Kommilitonen, Dozierenden und Klinikums-Mitarbeitern sehr eindrucksvoll“, so Gnibl, „und ganz besonders die Videobotschaft des ukrainischen Kommilitonen aus der Politikwissenschaft.“ Der junge Mann war vor der Invasion in seine Heimat gereist und hatte das Land nach Kriegsbeginn, als Volljähriger, nicht mehr verlassen können. „In einer fast zehnminütigen Nachricht erzählte er aus seinem Alltag bei den Bodentruppen. Das hat mich sehr bewegt – und nochmal deutlich gemacht, wofür wir uns hier eigentlich engagieren.“

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