LMU-Professorin Mechthild Schäfer bildet Lehrende zu Moderatorinnen und Moderatoren aus

Gemeinsam gegen Mobbing in der Schule

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Mit dem neuen Schuljahr ist ein Problem zurückgekommen, das immer wieder für große Unruhe sorgt: Mobbing. Die Stiftung „Mobbing stoppen! Kinder stärken!“ hat deswegen für Schülerinnen und Schüler der 3. und 4. Jahrgangsstufe das Soforthilfe-Präventionsprogramm „Wir wollen mobbingfrei!!“ neu gestartet. Professorin Mechthild Schäfer, die am Department für Psychologie der LMU im Bereich Entwicklungspsychologie forscht, hält das Programm auch bei Cyber-Mobbing nicht für falsch und verbindet es mit einer parallelen Fortbildung der Lehrerinnen und Lehrer.

MUM: Frau Professorin Schäfer, die Schule hat wieder begonnen und die Stiftung „Mobbing stoppen! Kinder stärken!“ kündigte dafür eine Offensive an, weil das Problem immer größer werde. Sehen Sie das auch so?

Schäfer: Nein, ich sehe eher, dass es nicht kleiner wird. Man macht ja schon viel gegen Mobbing und trotzdem ändert sich substanziell nichts. Das, was passiert, ist ein Stück weit nicht sehr effizient. Oder aus der Uni-Perspektive: Das, was die Wissenschaft robust belegen kann, ist immer noch selten die Basis für das, womit die Lehrerinnen und Lehrer arbeiten.

Sie begleiten das Programm wissenschaftlich weiter. Wie gehen Sie vor?

Schäfer: Corona-bedingt sieht es suboptimal aus. Parallel zu Veranstaltungen und Elternabenden soll sich eine Schule bereit erklären, an einer Lehrerfortbildung zur Mobbing-Prävention teilzunehmen. Das klappt mittelmäßig gut und hat sicher damit zu tun, dass lange Zeit in der Praxis nicht sehr viel ging.

Sie haben die Mechanismen untersucht, die in einer Gruppe bei Mobbing ablaufen. Welche Verhaltensweisen konnten Sie feststellen?

Es gibt zwei große Irrtümer, die in den Schulen noch nicht wirklich ausgerottet sind: Zum einen ist man immer noch der Meinung, man müsse sich bei Prävention und Intervention auf die Opfer fokussieren, also die Empathie der Schülerinnen und Schüler stärken. Es gibt große Untersuchungen und Interventionsprojekte, die zeigen, dass es nicht an Empathie fehlt. Zum anderen ist man immer noch der Meinung, man könne das Problem lösen, wenn man die Täter angeht. Auch das ist ein Irrtum, wie mittlerweile wissenschaftlich bestätigt wurde.

Was ist der bessere Weg?

Schäfer: Es geht weder darum, dass der Täter dem Opfer schaden will, noch darum, dass Täter einfach aggressiv attackieren. Ein Konflikt oder pure Aggression ist nicht Mobbing. Beim Mobbing wollen die Täter oder die Täterinnen Aufmerksamkeit und Dominanz in der Klasse haben, also Macht – das Opfer ist nur ein Kollateralschaden. In der Grundschule heißt das, sie wollen Bestimmende und cool sein. Sie demonstrieren, was sie sich alles erlauben können, und keiner stoppt sie – im Gegenteil. Wenn man das Opfer jetzt besonders hervorhebt, spielt ihnen das in die Karten: Die nächste Gelegenheit zu zeigen, wer das Sagen hat, kommt schnell. Das heißt: Ihre Bedeutung und hervorgehobene Stellung wird ihnen nicht durch das Opfer gegeben, sondern durch die Reaktion der Gruppe. Dass Mobbing nur funktioniert, wenn die Gruppe mitmacht, kommt in den Schulen immer noch deutlich zu wenig an. Man hat deshalb oft nur kurzfristig Erfolg.

Eine große Herausforderung für Lehrerinnen und Lehrer, oder?

Schäfer: Nein, es ist immer noch die gängige Form, dass man glaubt, wir könnten Kindern etwas erzählen, was sie zu denken und zu tun haben. Wir müssen mit dem Wissen der Kinder arbeiten. Was wir mit unserem Präventionstraining erreichen wollen, ist, die Kinder immer wieder herauszufordern, dass sie durch Spiele und Videos ein gemeinsames Wissen darüber finden, wie andere denken, welche Sichtweisen es gibt. So lernen sie zu begreifen, was bei Mobbing alles passiert. Lehrerinnen und Lehrer sind dabei nur Moderatoren. Sie müssen aus ihrer Rolle heraus, nicht sagen, was Sache ist, sondern Anregungen geben. Gute Prävention muss aus der Klasse kommen und darf ihr nicht übergestülpt werden.

Es liegt also letztlich an den Lehrenden, ob das Angebot angenommen wird?

Schäfer: Das ist der Grund, weshalb wir in unseren Präventionsprogrammen das Gleiche mit den Lehrern machen, was die später mit ihren Schülern machen sollen. Wir spielen mit den Lehrern,
provozieren und fordern sie heraus, verschiedene Perspektiven zu erleben, damit sie in ihrer Gruppe begreifen, was da abläuft. Außerdem bekommen alle die Dokumentationen der Aktivitäten, Hintergrundwissen und immer die Möglichkeit, mit uns zu kommunizieren.

Wie kommt das an?

Es ist der erste Schritt in eine andere und wissenschaftlich fundierte Richtung, die erfolgreich sein kann. Wir von der LMU werden deshalb dank der Förderung durch die Betriebskrankenkassen das Kooperationsprojekt mit Tom Lehel, dem TV-Moderator und Gründer der Stiftung, fortsetzen können, um die bisherige Präventionsarbeit zu vertiefen. In Nordrhein-Westfalen wird das sehr aufmerksam
verfolgt, angenommen und findet ein sehr positives Echo.

Das soll jetzt auch in Bayern geschehen?

Ich hoffe es. Die Betriebskrankenkassen stellen für dieses Präventionsprojekt sehr großzügig Geld zur Verfügung und so könnten sich auch bayerische Schulen bewerben. Es gibt viele Informationen darüber, um Zurückhaltung abzubauen. Die Schulen müssten sich halt einfach nur melden.

>  Interview: fue

> https://www.wirwollenmobbingfrei.com  
> hier gibt es auch Infos speziell für Schulen und Lehrende
> https://www.du-doof.org
> www.schülerforscher.de

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