Barbara Wittmann ist Country Managerin bei LinkedIn für den deutschsprachigen Raum und Mitglied der Geschäftsleitung. Ihren Job hat die ehemalige LMU-Slawistikstudentin – natürlich – über das berufliche Netzwerk gefunden. Im MUM-Interview erklärt sie, worauf es bei einem guten Profil ankommt und was es beim Wandel der Arbeitswelt in Zukunft zu beachten gibt.
MUM: Frau Wittmann, Sie haben Ihren Magister an der LMU in slawischen Sprachen absolviert – was sagen Sie zu dem Vorurteil, dass alle Menschen aus den Geisteswissenschaften als Taxifahrer enden?
Barbara Wittmann: Es gibt sicher Taxifahrer mit einem Studium, aber unsere Gesellschaft und Arbeit haben sich in den letzten Jahren signifikant verändert. Die Halbwertzeit von Wissen und Fähigkeiten wird immer kürzer und lebenslanges Lernen ist die neue Realität – wenn auch nicht Normalität. Deshalb ist es sehr wichtig, die Fähigkeiten und Kompetenzen zu erlernen, die einen erfolgreich und glücklich machen beziehungsweise dazu führen, einen Job zu finden, der einem Spaß macht.
MUM: Haben Sie Ihren Job über LinkedIn gefunden?
Wittmann: Ja, aber ich wurde vom Recruitingteam von LinkedIn gefunden beziehungsweise wurde aufgrund meines LinkedIn-Profils und meiner Aktivität angeschrieben. Zu diesem Zeitpunkt war ich offen für eine neue Rolle und LinkedIn war mein Wunscharbeit-geber. Deshalb hatte ich immer mal wieder geschaut, welche Positionen offen sind. Dies signalisierte dem Recruitingteam Interesse und so kam der erste Kontakt zustande. Nach zahlreichen Gesprächen mit unterschiedlichen Personen hat es am Ende – sehr zu meiner Freude – geklappt. Deshalb empfehle ich immer, diese Signale gezielt zu senden, wenn man an einem Job oder einem Unternehmen interessiert ist. Es ergibt sich schneller ein Gespräch, als man denkt. Wenn es nicht sofort mit dem Traumjob klappt, ist ein Netzwerk unschlagbar.
MUM: Beim Engagement der Mitglieder ist Deutschland Linked-In am schnellsten wachsender europäischer Markt und weltweit der zweitgrößte hinter Indien. Warum kommt die Plattform
gerade bei uns so gut an?
Wittmann: Zum einen hat die Corona-Pandemie die Arbeitswelt stark geprägt und vielseitig verändert: Die Kommunikation wurde von jetzt auf gleich in die virtuelle Welt verlagert – und somit auch auf LinkedIn. So sind etwa virtuelle oder hybride Events zu einem festen Bestandteil des Lebens geworden. Doch auch unsere Mitglieder sorgen mit ihren informativen und hilfreichen Inhalten zusätzlich für Engagement. Gleichzeitig hat die Pandemie Unternehmen ihre Arbeitsweisen, Unternehmenskultur und Werte überdenken lassen und auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer denken viel mehr darüber nach, wo und wie sie arbeiten und welchen Sinn ihre Arbeit macht. Wir nennen das den Great Reshuffle. Deshalb sind viele Menschen auf Jobsuche gegangen. In den USA gab es zwar deutlich mehr Jobwechsel, aber in Deutschland gibt es aktuell durch den Fachkräftemangel und in einigen Bereichen Arbeitskräftemangel sehr viele Chancen für einen neuen Job. So werden aktuell global pro Minute sechs Menschen über LinkedIn eingestellt.
MUM: Warum halten Sie hybrides Arbeiten beziehungsweise
Flexibilität für so relevant in unserer heutigen Arbeitswelt?
Wittmann: Einfache Antwort: Weil es heute ohne nicht mehr geht. Die Corona-Pandemie hat unsere Arbeitswelt komplett umgekrempelt und bei vielen den Wunsch nach mehr Flexibilität geweckt: sei es bei den Arbeitszeiten, dem Arbeitsort oder den Stunden. Und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fordern diese
Flexibilität inzwischen aktiv und laut ein. Wer das ignoriert, riskiert, sie zu verlieren. Gleichzeitig haben Unternehmen erkannt, dass es sich in vielerlei Hinsicht positiv auswirkt, wenn sie ihren Mitarbeitenden mehr Freiräume geben, das steigert Zufriedenheit und Produktivität. Zudem bietet Flexibilität Chancen für Gruppen, die es auf dem Arbeitsmarkt traditionell schwer haben. Zum Beispiel möchten viele Mütter mehr arbeiten, können es aber aufgrund von äußeren Umständen nicht. Flexible Arbeitsmodelle schaffen hier Möglichkeiten, Leben und Arbeit besser miteinander zu verbinden und die Arbeitszeit zu erhöhen. Doch sollten auch die Väter diese Flexibilität nutzen, um etwa Stunden zu reduzieren oder umzulegen und zu Hause mehr Care-Arbeit zu übernehmen.
MUM: Sie sind selbst auf LinkedIn sehr aktiv und posten regelmäßig. Welche Themen liegen Ihnen besonders am Herzen?
Wittmann: Die Arbeitswelt ist zur Zeit sehr stark im Wandel und deshalb gibt es hier viele spannende Themen. Neben hybridem Arbeiten beziehungsweise Flexibilität ist Diversität für mich ein Herzensthema – vor allem, weil wir hier alle noch viel lernen müssen und Veränderungen dringend notwendig sind. Diese beiden Themen werden auch die Zukunft der Arbeit beeinflussen. Also welche Fähigkeiten brauchen wir, um in den Bereichen Digitalisierung, Mobilität oder Nachhaltigkeit erfolgreich agieren zu können?
MUM: Welche Rolle spielt Personal Branding für das Social Networking? Kann es Karrierechancen tatsächlich verbessern?
Wittmann: Die „Personal Brand” ist Ihre eigene Marke, die zeigt, wie Sie sich online sowie offline darstellen. Auch wenn es sich abstrakt und ungewohnt anfühlt, sich selbst als Marke zu sehen, geht es vielmehr darum, sich auf seine eigenen Stärken zu konzentrieren und diese in klaren Botschaften zu vermitteln. Deshalb sollten Sie sich Folgendes fragen: Was sind Ihre Stärken, was ist Ihr Stil und welche Themen finden Sie interessant? Die Antworten darauf geben Ihnen eine gute Grundlage für ein spannendes Profil – und voilà: Da ist sie, Ihre eigene Marke. Was viele unterschätzen: Für erfolgreiches Social Networking ist ein authentisches Auftreten enorm wichtig. Ich bin davon überzeugt: Je echter Sie auftreten, desto eher finden Sie einen Job, der zu Ihnen passt. Desto wohler und glücklicher fühlen Sie sich in Ihrer Arbeit und umso erfolgreicher werden Sie automatisch in Ihrem Berufsleben – egal, was Erfolg am Ende für Sie bedeutet.
MUM: Was macht ein gutes LinkedIn-Profil aus?
Wittmann: Meine drei Tipps hierfür sind: Erstens das Profilfoto. Es macht Sie authentisch und nahbarer. Das zeigt auch die Statistik: Mitglieder mit einem Foto erhalten bis zu neun Mal mehr Kontaktanfragen, 21 Mal mehr Profilaufrufe und 36 Mal mehr Nachrichten. Das Bild muss nicht perfekt oder professionell aufgenommen sein: Verwenden Sie ein Foto, das Sie zeigt, wie Sie im beruflichen Umfeld sind. Vermeiden Sie aber schlechte Aufnahmen und auch reine Firmenlogos, Landschaften, Tiere und Wörter oder Redewendungen. Zweitens können Sie im Bereich „Zusammenfassung” die berufliche Erfahrung auf den Punkt bringen. Beschreiben Sie, was Sie bisher gemacht haben und wo Ihre Stärken liegen. Ein paar kurze Absätze, am besten ohne Fachbegriffe, reichen. Drittens: Lassen Sie Ihre Kenntnisse bestätigen. Fügen Sie die wichtigsten Fähigkeiten hinzu, die dann von Ihren Kontakten bestätigt werden können. Das verleiht Ihrem Profil mehr Glaubwürdigkeit. Mitglieder, die fünf oder mehr Kenntnisse hinzufügen, bekommen bis zu 17 Mal mehr Profil-Aufrufe.
MUM: Ist LinkedIn nur etwas für Berufstätige oder auch für Studierende?
Wittmann: LinkedIn kann schon während des Studiums ein hilfreicher Begleiter sein. Denn das eigene Netzwerk gewinnt immer mehr an Bedeutung, weil die Berufswege heute deutlich weniger geradlinig verlaufen. Unsere Studien zeigen zum Beispiel, dass Berufstätige, die über ein starkes Netzwerk verfügen, überdurchschnittlich gut verdienen und auch selbst ihre Karrierechancen
positiver einschätzen. Doch wir wissen auch, dass die Meinungen hier auseinandergehen: Ein Teil der Deutschen netzwerkt gerne und häufig, andere empfinden es eher als anstrengend. Besonders spannend finde ich, dass dennoch die große Mehrheit aus beiden Lagern glaubt, dass Netzwerken in Zukunft immer wichtiger wird. Deshalb sollte man schon so früh wie möglich damit anfangen und gerade Studierende sollten schon im ersten Semester ein Profil
anlegen. Praktische Tätigkeiten – egal ob es eine Werkstudententätigkeit, ein klassisches Praktikum in den Semesterferien oder der Nebenjob ist – sind sehr wichtig, um Unternehmen und Stellen-profile kennenzulernen. Darüber hinaus kann man bei Unternehmen offene Stellen sehen und sich bewerben. Auch wenn die erste Bewerbung nicht passt, wird man eventuell in einen Kandidatenpool aufgenommen und zu einem Event eingeladen.
> Interview: bah
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