KYRI e.V.

Know Your Rights

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Das Vorstandsteam von KYRI e.V.: Eszter Hajdok, Martha Ponomarchuk und Natali Gbele (v. l. n. r.)

Alles begann mit einem kleinen gelben Kärtchen, das Natali Gbele 2019 in London auf der Straße in die Hand gedrückt bekam. Gbele, die seit 2018 an der LMU Jura studiert, war bei einem Freund zu Besuch und schloss sich Demonstrierenden an, die sich vor dem britischen Innenministerium eingefunden hatten, weil sie verärgert waren über den Umgang der britischen Regierung mit Geflüchteten. Natali Gbele nahm das Kärtchen an sich. Gedruckt hatte es eine Non-Profit-Organisation. In einfachen Sätzen und verständlicher Sprache waren darauf die Rechte der Demonstrierenden erklärt. „Das waren Rechte und Pflichten quasi für die Hosentasche: sehr kompakt, aber potenziell lebensverändernd“, sagt sie.

Gbele ist Palästinenserin; als sie zum Studium nach Deutschland kam, sprach sie noch kein Deutsch. „Als Nicht-Staatsangehörige kenne ich das Gefühl, Angst vor der behördlichen Sprache und den gravierenden Konsequenzen des Nichtwissens zu haben“, erzählt Gbele. Schon während des Grundstudiums hatte sie sich in der „Refugee Law Clinic Munich“ engagiert, einem studentischen Verein, der Geflüchtete kostenlos zum Aufenthalts- und Asylrecht berät. Dabei erlebte sie oft, dass die Menschen erst dann zur Beratung kamen, wenn bereits ein Problem entstanden war – zum Beispiel, weil sie behördliche Briefe oder Bescheide in ihrer oft sperrigen Sprache nicht richtig verstanden hatten. „Sobald beispielsweise eine Widerspruchs- oder Klagefrist aber abgelaufen ist, kann man den Leuten rechtlich kaum noch helfen“, sagt Gbele.

Das Beispiel aus London und die Erfahrungen aus der Refugee Law Clinic inspirierten Gbele dazu, einen neuen Ansatz zu verfolgen: Sie wollte Geflüchteten und Nicht-Staatsangehörigen präventiv helfen, sich über ihre Rechte zu informieren, und so dazu beitragen, Probleme zu vermeiden. 2021 gründete sie deshalb im Rahmen einer Teilnahme an der Clinton Global Initiative University die „Know Your Rights Initiative“. Der Verein hat sich das Ziel gesetzt, Informationslücken über das deutsche Rechtssystem zu schließen, Sprachbarrieren zu überwinden und Recht für jede und jeden zugänglich zu machen. „In einem Rechtsstaat sollen alle Menschen vor dem Gesetz gleich sein“, sagt Jasmin Spengler, Jurastudentin im 11. Semester, die zu den Gründerinnen des Vereins gehört und ihm gemeinsam mit Natali Gbele und Lisa Klostermann vorstand. „Damit die Gleichheit vor dem Gesetz gewährleistet sein kann, müssen aber auch alle die Möglichkeit haben, ihre Rechte zu kennen und zu verstehen.“

Die Vision: Eine rechtsstaatliche Gemeinschaft für alle Menschen

Die Jurastudentinnen fanden schnell engagierte Mitstreiterinnen und Mitstreiter: Seit Anfang des Jahres 2022 ist die LMU-Hochschulgruppe „Know Your Rights Initiative”, kurz KYRI, ein eingetragener Verein, der vom Finanzamt als gemeinnützig anerkannt ist. Mittlerweile sind aus den anfänglich sieben Mitgliedern fast 40 geworden. Nicht nur Juristinnen und Juristen sind dabei, sondern unter anderem auch Studierende aus den Kommunikations- und Medienwissenschaften, Politikwissenschaften oder der Informatik. Unterstützt wurden die Studierenden von Anfang an auch unter anderem durch Forschende und Lehrende der LMU aus der Juristischen Fakultät, die die Projekte des Vereins inhaltlich begleiten.

In den rund drei Jahren seit ihrer Gründung hat die Initiative eine Vielzahl von Projekten angeschoben und durch professionelle Öffentlichkeitsarbeit viele Menschen erreicht, die die Hilfsangebote in Anspruch nehmen. „Die Erfahrung, vom Behördendeutsch oder im Umgang mit der Polizei verunsichert oder überfordert zu sein, hat wahrscheinlich jeder von uns schon einmal gemacht, auch ohne eine Sprachbarriere als zusätzliches Hindernis“, erklärt die dritte ehemalige Vorständin Lisa Klostermann.

Nachhaltigkeit, Inklusion, Erreichbarkeit

Die Arbeit der „Know Your Rights Initiative e.V.“ gründet sich auf drei Prinzipien: Nachhaltigkeit, Inklusion und Erreichbarkeit. So werden im Rahmen des Projekts „Law Explained“ Workshops und Vorträge angeboten, bei denen die Teilnehmenden mit grundlegenden Informationen versorgt werden: Welche Rechte habe ich, welche Rechte hat der Staat – und welche nicht? Was ist zum Beispiel bei Demonstrationen, Identitätsfeststellungen oder Wohnungsdurchsuchungen zulässig?

Um zu gewährleisten, dass grundlegende Informationen insbesondere über das Polizei- und Sicherheitsrecht viele Menschen erreichen, stellt beispielsweise das Projekt „KYRI To-Go“ auf Instagram juristische Begriffe auf digitalen Karteikarten vor, um es der Zielgruppe zu ermöglichen, sich mit Fachtermini vertraut zu machen und Gesetzestexte in Zukunft besser verstehen zu können. Darüber hinaus druckt der Verein in zehn verschiedenen Sprachen Broschüren und Flyer, in denen die Inhalte der Vorträge kurz und verständlich zusammengefasst sind, und sorgt für deren Verbreitung beispielsweise in sozialen Einrichtungen.

Zusammenarbeit mit sozialen Einrichtungen

„Die Kooperation mit anderen sozialen Einrichtungen ist für unsere Arbeit essenziell“, sagt Jasmin Spengler. So hat etwa das „Bellevue di Monaco“, ein Wohn- und Kulturzentrum für Geflüchtete, Räumlichkeiten für die Vorträge zur Verfügung gestellt und bei der Werbung für die Veranstaltungen geholfen. Für den Münchner Flüchtlingsrat bietet KYRI Fortbildungen an zu Ausländerstrafrecht, Polizei- und Sicherheitsrecht und erarbeitet ein Handbuch, in dem die Mitarbeitenden rechtliche Zusammenhänge zwischendurch nachschlagen können. Daneben hat der Verein derzeit Projekte mit dem Kreisjugendring, Refudocs oder dem Verein Condrobs, der unter anderem mit Jugendlichen mit Migrationshintergrund arbeitet.

Rahaf Khawaja arbeitet als Psychologin in einer sozialen Einrichtung in München und hat sich durch die „Know Your Rights Initiative e.V.“ rechtlich fortgebildet, um ihr Wissen an Geflüchtete weiterzugeben. „Es ist besonders wichtig, dass die Fachkräfte aus dem sozialen Bereich sich rechtlich informieren können“, sagt sie. Oft hätten die Sozialarbeiterinnen und -arbeiter, mit denen Geflüchtete im engen Kontakt stehen und die deshalb deren erste Ansprechpartner sind, nicht die nötigen Fachkenntnisse, um über rechtliche Fragen aufzuklären. „Die Tätigkeit von KYRI bietet die unmittelbare Möglichkeit, diese Lücke an Fachkenntnissen im sozialen Bereich zu schließen – und dementsprechend auch unmittelbar Geflüchteten und bedürftigen Gruppen zu helfen“, sagt Khawaja. „Die Tätigkeit von KYRI ist für uns eine große Hilfe – und angesichts der Vielfalt Münchens eine Bereicherung für die Stadt.“

kp

https://kyrimunich.com

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