Philip-Johann Moser studierte Physik an der LMU und in Cambridge. Dann erkannte der 27-Jährige, dass seine Leidenschaft in Zeiten des Klimawandels dem Wissenschaftsjournalismus gilt. Nach seiner Ausbildung beim Münchner Nachwuchssender M94.5 gehört er jetzt zu den ersten Volontären bei ZEIT Online. Neben einigen Moderationsgeheimnissen verrät er auch, was er sich für die Ausbildung für künftige Studierende wünscht.
MUM: Herr Moser, Sie wurden unter über 500 Bewerberinnen und Bewerbern als einer der ersten Volontäre bei ZEIT Online ausgewählt. Wie haben Sie das geschafft?
Philip-Johann Moser: Ich musste unter Zeitdruck einen Kommentar schreiben, der kam ganz gut an. Wichtiger war aber wohl mein Bewerbungsgespräch. Ich habe die Meinung vertreten, dass sich der Journalismus gerade im Umbruch befindet. Gar nicht mal so sehr wegen Künstlicher Intelligenz, die kann guten Journalismus nicht ersetzen. Aber die Anforderungen an den Journalismus haben sich geändert, es braucht vielfältigere Perspektiven und Spezialist:innen. Positiv ausgewirkt hat sich deswegen sicher auch mein für die Branche eher ungewöhnlicher Lebenslauf.
MUM: Tatsächlich kommt es nicht oft vor, dass jemand, der Mathematik, Physik und Philosophie studiert hat, in die Medienbranche wechselt.
Moser: Vor meinem Masterabschluss in Cambridge wollte ich noch in die Forschung. Dann haben mich aber irgendwie die Themen nicht mehr so interessiert, ich wollte raus aus dem Theorie-Elfenbeinturm. Mir war wichtiger, wie wir den Klimawandel in den Griff bekommen beziehungsweise wohin unsere Wirtschaft und Gesellschaft steuern. Und dann habe ich begriffen, wie wichtig guter Wissenschaftsjournalismus für eine nachhaltige Veränderung ist. Durch meinen Bruder kannte ich den Radiosender M94.5. Schon an meinem ersten Arbeitstag habe ich mit der führenden Klimaforscherin Professor Julia Pongratz von der LMU gesprochen. Da wusste ich: Das ist es.
MUM: Was ist das Besondere an M94.5?
Moser: M94.5 ist der einzige Ort, wo man nicht nur fast alles machen darf, sondern wo einem auch vermittelt wird, dass man es kann – oder lernen kann. Völlig kostenlos. Die Einarbeitung erfolgt durch Kolleginnen und Kollegen, die ein Jahr vorher selbst noch keine Ahnung von der Materie hatten, entsprechend tolerant ist die Fehlerkultur. Außerdem lernt man richtig spannende Leute kennen. Den Sender gibt’s jetzt schon seit 27 Jahren, und er hat sehr eindrückliche Alumni hervorgebracht.
MUM: Sie waren bei M94.5 Moderator, Chef vom Dienst und Ressortleiter für das Wissen. Da bringen Physiker natürlich viel Fachwissen mit. Aber eine Radiostimme hat man dadurch ja noch lange nicht.
Moser: Gut, für die Radiostimme gibt’s ja das Stimmtraining. Wer bei M94.5 mitmachen kann, wird nach einem Auswahlgespräch entschieden. Es wird aber kein Vorwissen erwartet. Wer sich bewirbt, muss auch keine Arbeitsproben mitbringen. Es ist ein sehr niedrigschwelliges Angebot, um mit der Medienwelt in Kontakt zu kommen. Man sollte aber schon ein bisschen interessiert sein, was in München und der Welt los ist. Und einen motivierten Eindruck hinterlassen.
MUM: Das haben Sie auf jeden Fall geschafft. Sie waren dafür bekannt, nach Feierabend nicht nach Hause zu gehen.
Moser: Ja, ich war definitiv getrieben nach Corona und dem Ausland (lacht). Ich habe mich bei M94.5 voll in die Arbeit gestürzt und eine Podcast-Folge nach der anderen produziert. Der unrühmlichste Moment war, als ich bis 5 Uhr in der Redaktion war, zum Duschen nach Hause und dann direkt wieder in die Redaktion gefahren bin. Das war schon zu viel, nebenbei musste ich ja auch noch die Miete verdienen. Aber es war eine Mischung aus Perfektionismus und Bock, Neues auszuprobieren. Ich wollte nicht mehr nur der Physik-Nerd sein (lacht).
MUM: Apropos nerdig: Stimmt es, dass Sie nur in Strümpfen im Studio moderiert haben?
Moser: Sie haben aber gründlich recherchiert (lacht). Meine Mitbewohnerin sagt zu Schuhen immer Fußgefängnis – das hat mir gefallen. Als mir dann bei M94.5 eine Kollegin sagte, ich solle mich beim Moderieren wie zu Hause fühlen, habe ich dann wie sie die Schuhe ausgezogen. Das handhabe ich jetzt bei Zeit Online genauso. Ich kann jedem nur empfehlen, im Studio so sein Ding zu finden.
MUM: Wieso haben Sie sich entschieden, nach dem Sprechen noch das Schreiben zu üben?
Moser: In erster Linie, weil ich beim Schreiben mit Daten arbeiten kann – das geht im Radio nur schwer. Da bräuchte es bei komplizierten Themen eigentlich immer eine Sondersendung. Hörfunkbeiträge müssen einfach knapper und pointierter sein. Aber auch bei ZEIT Online schreibe ich nicht nur, sondern mache dank meiner Ausbildung bei M94.5 auch Podcasts und später Videos.
MUM: Sie sind noch ein junger Alumnus. Gibt es etwas, was aus Ihrer Sicht in der Ausbildung verbessert werden könnte?
Moser: Ich würde mir wünschen, dass sich Professorinnen und Professoren mehr Gedanken über ihre Lehre machen und nicht ihr Standardprogramm durchziehen. Und dass nicht so viele Studierende gnadenlos rausgeprüft werden. Jeder, der dieses Fach studiert, hat eine Leidenschaft dafür – bei mir ging’s los mit dem Lesen der Biografie von Werner Heisenberg, dem ehemaligen LMU-Physiker. Ich habe viele Tutorien geleitet. Bei schlechten Noten reicht es oft, die Studierenden an die Hand zu nehmen. Es gibt sicherlich Fachwissen, das ich jetzt im Job nicht brauche. Aber die gelernten Skills sind essenziell und werden es auch in Zukunft noch sein.
• Interview: dl
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