Das Organigramm der Studierendenvertretung an der LMU, kurz StuVe, lässt ahnen, wie viel Arbeit das Engagement hier mit sich bringt: Mitgliedschaften in Hochschul- und Fakultätsgremien, Tätigkeiten in den zahlreichen Referaten – das Aufgabenfeld ist riesig. Da ist die Zeit knapp für Gespräche. Vier Mitglieder haben dennoch einen Slot gefunden, um mit MUM zu sprechen – über ihre Arbeit, wie viel sie fordert, wie viel sie aber auch gibt.
Jessica Peters, die Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaften im Master studiert, ist Geschäftsführerin der StuVe. Ihre Tätigkeiten kann man in ihrem Fall durchaus als Berufung bezeichnen: „Ich setze mich gern und leidenschaftlich für andere Menschen ein“, sagt sie. Es sei ihr wichtig, dass jene eine lautere Stimme bekommen, die sonst nicht gehört werden: etwa Personen mit körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen oder queere Menschen. Neben ihrem Ehrenamt und ihrer Mitgliedschaft in den verschiedenen Gremien arbeitet Peters zudem in der Behindertenberatung der LMU, die unter anderem etwa ehrenamtliche Inklusionstutorinnen und -tutoren ausbildet, die wiederum Studierenden mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen im Alltag an der Uni zur Seite stehen.
Engagement? Natürlich!
„Für mich stand schon am Anfang des Studiums fest, dass ich mich engagieren werde“, sagt Peters. Dabei macht es ihr auch nichts aus, sich als Fachschaftssprecherin wählen zu lassen, weil sich sonst niemand findet. Denn sie weiß: „Jemand muss die Arbeit machen!“ Schließlich ist sie Geschäftsführerin der StuVe geworden und setzt sich mit vielen weiteren Themen auseinander. Das Spektrum reicht unter anderem von der Raumbuchungsproblematik an der LMU über die schwierige Situation im Bereich des studentischen Wohnens bis hin zur Auseinandersetzung mit Queerfeindlichkeit an der Uni und in der Gesellschaft.
Überdies ist Jessica Peters zusammen mit dem Referat für Lehramt und der Fachschaft Grundschul- und Sonderpädagogik im Austausch mit dem Wissenschafts- und Kultusministerium im Hinblick auf die Modernisierung des Lehramtsstudiums oder organisiert regelmäßige Jours Fixes mit der Hochschulleitung der LMU, in denen die Studierendenvertretung verschiedene Themen adressiert und bespricht.
Auch für Dominik von Bank war von Beginn an klar, dass er sich im Studium engagieren wird. Schließlich war er auch schon als Schüler entsprechend aktiv. Er studiert Betriebswirtschaftslehre im Master und ist seit seinem ersten Semester in der Fachschaft aktiv, wurde Studierendenvertreter, in den Konvent der Fachschaften gewählt und ist unter anderem Mitglied in der Zentralen Studienzuschusskommission. Zudem organisiert er auf Fachebene verschiedene Events mit.
„Das Wissen soll nicht verloren gehen!“
Der Anfang sei eine Herausforderung gewesen, sagt er. Schließlich galt es, sich in ganz neue Tätigkeiten und Themenfelder hineinzufinden – wohlgemerkt neben dem Workload des Studiums, der auch nicht gerade gering ist. „Ich bin schließlich nicht eines Morgens aufgewacht und hatte den perfekten Plan, jedoch gibt es glücklicherweise immer Menschen, mit welchen ich mich austauschen konnte“, sagt von Bank.
Das Wissen an neue Engagierte weiterzugeben, sei wichtig, betont er. „Wenn man in Gremien tätig ist, sieht man zu, dass Neue mitkommen und sich das Ganze ansehen. „Das Wissen soll nicht verloren gehen!“
„Die Wirtschaftswissenschaften haben es natürlich etwas leichter, als etwa die Anglistik oder die Geisteswissenschaften“, räumt seine Fachkollegin Lisa Bartmann ein, die ebenfalls in BWL auf Master studiert und für die es von Anfang an klar war, in der Studierendenvertretung sowohl auf Fakultäts- als auch Universitätsebene tätig zu werden. „Bei uns ist es nicht so, dass jemand Tätigkeiten übernimmt, die sonst keiner machen will. Man sieht auf Fakultätsebene auch den Impact des Engagements stärker, was die Arbeit leichter macht.“
Vermitteln zwischen Studierenden und Lehrenden
Obwohl sie ebenfalls in zahlreichen Gremien aktiv ist, sieht Bartmann ihre Aufgabe insbesondere auch als Vermittlerin zwischen den Lehrenden und Studierenden. „Es kommen immer wieder mal Studierende, bei denen zum Beispiel in der Vorlesung etwas nicht so gut gelaufen ist. Da hilft man und versucht, mit den betreffenden Professorinnen oder Professoren ins Gespräch zu kommen.“
Dabei wachse man nicht nur mit seinen Aufgaben, sondern auch auf Augenhöhe: „Wir können uns in den Diskussionen mit unseren Professorinnen und Professoren auch immer wieder für die Studierenden einsetzen, wie etwa kürzlich bei der Ausgestaltung der neuen Prüfungsordnungen für Betriebswirtschaft und Wirtschaftspädagogik“, erzählt Dominik. „Viele unserer Vorschläge und Punkte, welche uns wichtig waren, wurden von Fakultätsseite begrüßt und angenommen!“
„Die BWL ist auch deswegen ein besonderes Beispiel, weil es die Fachschaft einer Fakultät ist“, ergänzt Jessica Peters. „Sonst ist es so, dass es Fachschaften für einzelne Fächer gibt.“
Aber dennoch sei der Kontakt zu den Professorinnen und Professoren in der Regel auch hier gut, weil ihre Zahl nicht so groß und der Zugang entsprechend einfacher sei. „Wir feiern auch mal eine gemeinsame Faschingsparty und arbeiten auch bei der Erstibegrüßung zusammen“, sagt sie. „Es ist eben überall unterschiedlich.“
Auch in der Fachschaft Geographie, in der sich Amir Hasukić engagiert, sei der Austausch eng. „Wir sind nicht so klein, liegen größenmäßig etwa in der Mitte zwischen den kleinen und den großen Fakultäten“, sagt er, der vor seinem Wechsel zum Studium der Geographie Volkswirtschaftslehre studiert hat, an beiden Fakultäten Fachschaftssprecher war und daher gleichsam beide Seiten kennt.
Einen „Supervorteil“, der der Verständigung zwischen allen Gruppen in einer Fakultät zugutekomme, sieht Hasukić in den Pflichtexkursionen, wie sie in den Geowissenschaften obligatorisch sind. „Man lernt die Leute auf diese Weise viel besser kennen“, sagt er. „Zudem sind wir alle in einem eigenen Gebäude am Königsplatz und man läuft sich eigentlich ständig über den Weg.“
Wie ein Studium im Studium
Amir Hasukić ist das Engagement für seine Mitstudierenden wichtig. So hat er während der Corona-Pandemie nicht nur mit der Fachschaft eine zusätzliche digitale Infrastruktur mit Lernräumen, Sprechstunden und sogar Online-Partys für die Studierenden der Fakultät mit aufgebaut, sondern auch hier eng mit den Lehrenden zusammengearbeitet, wenn Studierende technische Probleme hatten. Er hat zudem eine Onboarding-Plattform für die Erstsemester angestoßen, hierfür ein Mentoring-Programm aufgelegt und geholfen, Studierenden, die in der Corona-Zeit ihre Jobs etwa in der Gastronomie verloren haben, Hilfskraftstellen zu vermitteln.
Jetzt sitzt er zusammen mit Lisa Bartmann im Senat und im Hochschulrat der LMU und arbeitet sich unter anderem durch Berufungslisten und Satzungen. Und auch er weiß: „Die Ergebnisse der Arbeit hier sind vielleicht nicht sofort sichtbar. Aber der Impact ist da und die Arbeit ist nicht weniger wichtig.“
„Meine Meinung ist, dass wenn jeder oder jede der über 50.000 Studierenden der LMU nur zwei Stunden in der Woche fürs Ehrenamt opfern würde – ich bin mir sicher, München sähe anders aus!“ Hasukić sieht das Ehrenamt wie ein Studium im Studium, in das man mit der Zeit hineinwachsen würde.
Ein bisschen mehr Anerkennung
Dennoch würden sich die engagierten Studierenden mehr Anerkennung wünschen. Sie tun ihren Job schließlich unentgeltlich und opfern viel Zeit, die unter Umständen für das Studium fehlt.
Zwar lernten sie viel, sagt Jessica Peters, und würden viel mitnehmen. „Dennoch bräuchte man auch eine Motivation für den Nachwuchs. Es ist klar, dass wir kein Geld bekommen können. Aber denkbar wären zum Beispiel ECTS-Punkte pro Semester“, wünscht sie sich. An anderen Universitäten würde das schon erfolgreich praktiziert. „Wenn die Fachschaft nur aus einer Person besteht, könnte man mit der Zuerkennung von ECTS-Punkten erreichen, dass sich vielleicht mehr Leute engagieren.“
Fünf bis zehn Stunden pro Woche, schätzt Lisa Bartmann, investiere sie in die ehrenamtliche Arbeit. „Es ist keine Dauerbelastung, sondern partiell fordernd, etwa wenn Gremiensitzungen anstehen und man sich einarbeiten muss.“
Amir Hasukić bestätigt das: „Es sind Wellen, in denen die Arbeit anfällt. Und wie viel man zu tun hat, hängt auch von der Tätigkeit ab, die man übernommen hat.“ Man müsse sich halt auch mal in fachfremde Themen einarbeiten – die Prüfungsordnungen für Chemie oder Theologie oder der Körperschaftshaushalt der LMU seien für angehenden Geographen, Betriebswirtinnen oder Komparatisten Neuland.
„Wir müssen wahnsinnig schnell lernen“, betont Jessica Peters. „Wenn man das kann, ist man schnell auf einem sehr guten Arbeitsniveau. Das ist etwas, was ich sehr schätze!“
Jederzeit wieder!
Und man nimmt viel mit für die spätere Karriere im beruflichen Kontext oder bei anderen Engagements. „Durch die Arbeit wird man selbstbewusst, lernt, auf Augenhöhe mit Entscheiderinnen und Entscheidern zu kommunizieren“, sagt Lisa Bartmann.
Und Jessica Peters ergänzt: „Ich bin im Bayerischen Landesstudierendenrat dabei. Da nimmt man auch an eigenen Sitzungen im Landtag teil und kommuniziert mit Politikern. Und außerdem lernt man, seine Zeit richtig zu nutzen. Das ist wichtig, wenn man noch studiert und nebenbei arbeitet.
Alle vier sind sich sicher, dass sie es genauso wieder machen würden. „Es ist mit die beste Zeit meines Lebens“, ist Dominik von Bank überzeugt. „Der Austausch mit anderen Studierenden, die Arbeit in den Gremien – das hat mir mehr gegeben als es mir an Zeit genommen hat. Ich kann jedem, der an die LMU kommt, nur raten: „Schaut euch die Studierendenvertretung und eure Fachschaften an, vernetzt euch und engagiert euch!“
Für Lisa Bartmann und Amir Hasukić sind es vor allem die nachhaltigen Freundschaften, die sich durch ihr Engagement ergeben haben. „Meine besten Freundinnen und Freunde habe ich durch die Fachschaft kennengelernt“, sagt Bartmann.
Und Hasukić ergänzt: „Hochschulpolitik ist auch Tagespolitik. Alles was in der Welt passiert, was in der Zeitung steht, hat unmittelbare Auswirkungen auf uns: Die Kriege, die steigenden Kosten, die Frage, welche studentischen Projekte aufgrund geringerer Finanzmittel noch realisiert werden. Deswegen ist das Engagement so wichtig! Man engagiert sich für die Demokratie!“
• cg
Fachschaften
„Insiderwissen, Verantwortung und beste Freunde“
Marius Oberberger, 23, studiert Geschichte im Master und ist Sprecher der Fachschaft.
„Ich wollte die LMU nicht nur für Seminare und Vorlesungen besuchen, sondern sie auch als sozialen Ort erleben. Beim ‚Ersti-Frühstück‘ der Fachschaft Geschichte mochte ich zudem einfach die Leute und engagiere mich seither bei ihr: erst im Finanzreferat, dann bei Online-Veranstaltungen während der Corona-Pandemie, später im Fakultätsrat, im Konvent der Fachschaften und nun als Fachschaftssprecher.
Leider haben viele Studierende keine starke Bindung zur Fachschaft, was sich in chronisch niedriger Wahlbeteiligung zeigt. Mit unseren rund 20 aktiven Mitgliedern organisieren wir jede Woche Veranstaltungen wie Spiele- und Filmabende, Pub-Quizze, Werkstattgespräche, Historiker-Partys und Exkursionen – nach Regensburg etwa, aber auch mal Ljublijana oder Triest. Ein aktuelles Projekt ist die Bundesfachschaften-Tagung Geschichte im März in München mit 100 Teilnehmenden aus ganz Deutschland.
Mein Job ist es, die wöchentliche Fachschaftssitzung zu moderieren, die Fachschaft nach außen zu vertreten, Arbeitsprozesse zu koordinieren und Studierende wegen der starken Fluktuation in Ämter neu einzubinden. Um etwas zu verändern, muss man die Strukturen kennen: Wo ist die LMU verantwortlich, wo der Freistaat? Bei dieser Arbeit bekommt man jede Menge Insiderwissen über die Uni und kann schnell und niedrigschwellig Verantwortung übernehmen. Man lernt zudem viel über Gremienarbeit, Demokratie und Machtstrukturen. Unsere Repräsentations- und Stimmrechte sind jedoch ohne eine verfasste Studierendenschaft schwächer als in anderen Bundesländern.“
Alex Nesmasznyj, 22, ist Masterstudent der Chemie und erster Vorsitzender der Fachschaft Chemie und Biochemie.
„Ein großes Thema unserer Fachschaft ist gerade die Planung eines Meditations- oder Gebetsraums an der Fakultät – damit etwa muslimische Studierende ihre Teppiche nicht in den Gängen ausrollen müssen. Daneben beschäftigt uns die Ausgestaltung des neuen Hochschulinnovationsgesetzes, von dem wir fürchten, dass es zu sehr auf Kosten der Studierenden geht.
Dafür gilt es, Sitzungen zu leiten, viele E-Mails zu schreiben und mit unseren Vertreterinnen und Vertretern im Fakultätsrat im Konvent sowie mit Studierenden aller Semester und Studiengänge im Gespräch zu bleiben. Viele sagen mir, dass ich viel zu viel Zeit mit der Fachschaftsarbeit verbringe. Aber nebenher finde ich noch Zeit für einen Job, American Football, meine Band und mein Engagement bei der Vereinigung der Ukrainischen Jugend in Deutschland e.V.
Viele übersehen auch den immensen sozialen Aspekt einer Fachschaft. Einige meiner besten Freundschaften der letzten Jahre – und auch eine Beziehung – sind daraus entstanden. Zudem profitiert man stark vom Wissen gerade älterer Fachschaftskolleginnen und -kollegen, die einem schon mal erzählen, wie ein bestimmter Prof so ist, wie man ein Praktikum bekommt oder Protokolle angeht.
Ich würde mir für die Studierenden mehr Mitsprache wünschen. Besonders in Gremien sind die Studierenden meiner Meinung nach deutlich benachteiligt. Gerade in dieser politisch rauen Zeit sind starke Fachschaften wichtig, mit einer gesunden Einstellung zu Politik und Gesellschaft.“
• ajb
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